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Zerstörung tropischer Regenwälder
Viehzucht – der Fleisch gewordene Rinderwahnsinn
Tropische Regenwälder werden gerodet um Weideflächen für Rinder zu schaffen. Wegen der kargen Böden ist der Flächenbedarf für die Rinderhaltung enorm groß. Das Fleisch wird exportiert obwohl Menschen in den exportierenden Ländern Hunger leiden.
Die Zerstörung tropischer Regenwälder folgt häufig demselben, verheerenden Muster – Straßen, Holz, Vieh und Soja. Straßen werden in den Wald getrieben und öffnen den Wald. Dann schlagen Holzfäller die wertvollen Tropenhölzer, wie zum Beispiel Mahagoni. Kleinbauern beanspruchen das Land und roden die restlichen, weniger wertvollen Bäume für kleinbäuerliche Landwirtschaft. Anfangs liefert die Asche der verbrannten Bäume noch Nährstoffe für die ansonsten nährstoffarmen Böden. Aber innerhalb weniger Jahre erschöpfen die starken Regenfälle und Erosion den Boden, weshalb die Ernteerträge sinken. Die Kleinbauern wandeln dann das degradierte Land in Viehweiden um und roden noch mehr Wald für Landwirtschaft. Schließlich überlassen die Kleinbauern das Land, freiwillig oder unfreiwillig, den Großgrundbesitzern für die Viehzucht und den Sojaanbau.
Steigender Fleischkonsum
Die Welt wird immer reicher, der Fleischkonsum steigt beständig und trotzdem herrschen in vielen Ländern noch Hunger und Armut. Die wirtschaftliche Nutzung im brasilianischen Teil Amazoniens beruht seit mehr als 50 Jahren auf Regenwaldzerstörung um Nutzflächen für Landwirtschaft zu schaffen. Trotzdem ist es bisher keiner brasilianischen Regierung gelungen, den Wohlstand oder die Lebensqualität der am Amazonas lebenden Menschen (Amazônidas) zu verbessern.
Im Jahr 2010 wurden weltweit 268 Millionen Tonnen Fleisch produziert, die weltweite Nachfrage nach Fleisch bis in die Jahre 2030/2050 wird voraussichtlich 380/460 Millionen Tonnen erreichen. Der steigende Fleischkonsum fordert noch mehr Weideflächen und eine höhere Produktivität. Dabei wäre es für Tier und Umwelt besser, wenn weniger Fleisch konsumiert werden würde (Veggie Day).
Brasilien – größter Rindfleischproduzent der Welt
Die Schaffung von Weideflächen ist weiterhin eine Hauptursachen der Regenwaldzerstörung im brasilianischen Amazonasgebiet. Dort wurden bereits 450.000 Quadratkilometer der gerodeten Flächen in Viehweiden umgewandelt, das sind 60 Prozent aller gerodeten Flächen. Und so standen im Jahr 2018 auf Brasiliens Weiden 214 Millionen Rinder. Brasilien ist damit der größte Rindfleischproduzent der Welt. Der Bundesstaat Mato Grosso ist die größte Viehzuchtregion Brasiliens.
Der Aufstieg Brasiliens als Exportnation für Rindfleisch begann in den 1970er-Jahren, als die brasilianische Menschen nach Amazonien lockte, um das riesige Gebiet zu besiedeln. In den 1980er-Jahren war der Rindfleischexport noch weitgehend auf Mittelamerika beschränkt, weil die brasilianische Fleischindustrie erst im Entstehen begriffen war. Die brasilianische Regierung jedoch hat die Rodung der Wälder am Amazonas für die Viehzucht mit staatlichen Anreizen (Subventionen) beständig vorangetrieben. Denn ohne die Subventionen – hauptsächlich Steuererleichterungen und billiges Land – wäre die Rinderzucht nicht rentabel gewesen, das Land war nur schwer zu bewirtschaften. Zusammen mit niedrigen Löhnen wurde die Rinderzucht regelrecht zur Rentabilität subventioniert. Verbesserungen in den Straßen- und Stromnetzen sowie in den Fleisch verarbeitenden Betrieben trugen ebenfalls dazu bei. Unter dem Motto „The Hamburger Connection“ wurde der Protest von Umweltschützern gegen diesen Bulettenhandel in den 1980er-Jahren bekannt.
In den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren wuchs die brasilianische Viehwirtschaft, und die Exporte explodierten, wobei die abgewertete brasilianischen Währung durchaus hilfreich war. Gleichzeitig wurde ein Großteil der brasilianischen Rinder für frei von Maul- und Klauenseuche erklärt, was die Exportmärkte weiter öffnete.
Im Jahr 2009 setzten die Bundesanwaltschaft im Bundesstaat Pará und Umweltgruppen, darunter Greenpeace, die Fleischindustrie unter Druck, die mit der Fleischproduktion verbundene Entwaldung zu verringern. Die Bundesanwaltschaft hat Viehzüchter verklagt, die illegal Wald gerodet hatten, ebenso wurden Schlachthöfe verklagt, die deren Fleisch abgenommen hatten. Das Ziel war ein Boykott von Fleisch, das im Zusammenhang mit illegalen Rodungen stand. Zusätzlich unterzeichneten Greenpeace und die größten brasilianischen Fleischerzeuger Marfrig, Minerva, JBS und Bertin (letzterer wurde später von JBS gekauft) im Oktober 2009 das Zero-Deforestation Agreement, das sogenannte G4-Abkommen. Das Prinzip von G4 ist einfach: die Fleischerzeuger verweigern die Verarbeitung von Rindern, für die zuvor Wälder illegal gerodet wurden. Weil nicht alle brasilianischen Fleischerzeuger das Abkommen unterzeichnet haben, ist der Erfolg von G4 zwar nur mäßig. Trotzdem ist es ein starkes Zeichen im Kampf gegen die Regenwaldzerstörung am Amazonas.
Rinderhaltung auf nährstoffarmen Regenwaldböden
Die meisten Rinderfarmen am Amazonas sind mittelgroße und große Betriebe mit durchschnittlich mehreren hundert Hektar Fläche, viele der Farmen verfügen über Tausende von Hektar Land. Die Rinderhaltung auf den nährstoffarmen Böden, auf denen einst tropische Regenwälder standen, ist nicht profitabel, weil lediglich zwei Rinder auf drei Hektar (30.000 Quadratmeter) Weidefläche gehalten werden können. Mehr vertragen die kargen Böden nicht. Daraus ergibt sich eine wenig effiziente Fleischproduktion von etwa 40 Kilogramm (kg) pro Jahr und Hektar.
In Deutschland sind es bis zu 2.500 kg pro Hektar. Und auch die Ökobilanz für die Produktion von Fleisch ist denkbar schlecht. Während der zwei Jahre dauernden Mast eines Rinds von 600 kg Gewicht (entspricht nur 300 kg Fleisch) werden folgende Ressourcen verbraucht:
- Verbrauch von 3,5 Tonnen Soja und anderem Getreide als Futtermittel (zwischen 7 und 16 kg Futtermittel pro kg Fleisch),
- Verbrauch von 600.000 Liter Wasser für den Anbau der Futtermittel,
- Verbrauch von 14.000 Litern Trinkwasser für das Tier,
- Verbrauch von 2.500 Litern Treibstoff als Energie für Landrodung, Futtermittelanbau usw.,
- Freisetzung großer Mengen Kohlenstoffdioxid, Methan und Dung. Rindfleisch belastet die Umwelt mit umgerechnet 16 kg Kohlenstoffdioxid pro kg Fleisch. Zum Vergleich: Bei Schweinefleisch sind es 8 kg und bei Hühnchen 4,4 kg.
Die Rinder, traditionell meist Zebu-Rinder, fressen zum Beispiel Gräser der Sorte Brachiaria brizantha (Brotgras) aber auch viele andere Gräser und Grasmischungen. Auch Hülsenfrüchte wie Arachis pintoi und Pueraria phaseoloides werden von den Rindern gefressen.
Nachhaltige Rinderhaltung in Amazonien
Wenn die Böden nach der extensiven Rinderhaltung völlig erschöpft sind, besteht die Gefahr, dass die Viehzüchter immer weiter nach Norden in Richtung des Amazonas vordringen. Das soll verhindert werden, indem die Rinderfarmen kleiner, effizienter und nachhaltiger werden.
Diesen Weg beschreitet „Pesca“, was soviel bedeutet wie „Nachhaltige Rinderhaltung in Amazonien“. Pecsa ist eine im Juni 2015 gegründete Viehzucht-Management- und Partnerschaftsfirma mit Sitz in Alta Floresta im Norden des Bundesstaats Mato Grosso. Das private Unternehmen, ist aus einer nichtstaatlichen Umweltorganisation hervorgegangen und versucht, die Produktion auf stark degradierten Weiden zu intensivieren und sie in effiziente und nachhaltige Betriebe umzuwandeln. Pesca geht davon aus, dass dadurch kein Wald mehr gerodet werden muss, auch wenn die Nachfrage nach Rindfleisch aus Brasilien weiter steigt.
www-Tipps
- Pesca – Sustainable Cattle Ranching in the Amazon.
- „Livestocks long shadow“ – eine umfangreiche Dokumentation der FAO.
- Homepage des Zentrums für internationale Waldforschung (CIFOR).
Buchtipps
- Josef H. Reichholf, Der Tanz um das goldene Kalb, Verlag Wagenbach, Berlin, 2004.
- Jeremy Rifkin, Das Imperium der Rinder – der Wahnsinn der Fleischindustrie, Campus-Verlag, 2001.
Forschung
- M.B. Yitbarek: Livestock and livestock product trends by 2050: Review. International Journal of Animal Research, 2019.
- H.K. Gibbs et al.: Did Ranchers and Slaughterhouses Respond to Zero‐Deforestation Agreements in the Brazilian Amazon? Conservation Letters, 2015.
- N.F. Walker et al.: From Amazon Pasture to the High Street: Deforestation and the Brazilian Cattle Product Supply Chain. Tropical Conservation Science, 2013.
Presse
- Schutz des Amazonas: Können Brasiliens Rinderfarmen umweltfreundlich werden? DW Online, 19.11.2019.
- Wie die Deutschen den Regenwald mit aufessen. Welt Online, 20.10.2019.
- Die Milliardengeschäfte mit Brasiliens Ressourcen. Spiegel Online, 23.08.2019.
- Was Sie über Massentierhaltung wissen sollten. Süddeutsche Zeitung Online, 14.03.2014.
- „Schmutziges Fleisch“ bei Aldi und Lidl. TAZ Online, 02.06.2009
- Die EU frisst den Regenwald. Tagesspiegel, 13.5.2008.
Abkürzungen
- FAO: Food and Agriculture Organisazion of the United Nations – Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, auch Welternährungsorganisation.
- UNO: United Nations Organization – Vereinte Nationen.