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Zerstörung tropischer Regenwälder
Kautschuk – das weiße Gold
Gummi wird aus dem weißen Milchsaft des Kautschukbaums Hevea brasiliensis hergestellt. Der Kautschukbaum wird überwiegend in Plantagen in Südost-Asien kultiviert. Etwa 70% des weltweit hergestellten Kautschuks werden von der Reifenindustrie verarbeitet. Die weiterhin steigende Nachfrage nach Gummi bedroht die tropischen Regenwälder.
Der Grundstoff für die Herstellung von Gummi ist der weiße Milchsaft (Latex) des Kautschukbaums Hevea brasiliensis, der auch als Kautschukfeigenbaum oder Gummibaum bezeichnet wird. Botanisch wird der Kautschukbaum der Familie der Wolfsmilchgewächse (Euphorbiaceae) zugeordnet. Er kommt ursprünglich aus den tropischen Regenwäldern Amazoniens, wo er häufig in regelmäßig überfluteten Gebieten im Tiefland wächst. In freier Wildbahn erreichen Kautschukbäume Höhen von über 30 Metern, in Plantagen bleiben sie deutlich kleiner. Zwar gibt es noch zahlreiche weitere Pflanzen, deren Milchsaft für die Herstellung von Gummi verwendet werden kann. Aber Hevea brasiliensis liefert heutzutage 99% allen weltweit gewonnenen Naturkautschuks.
Naturkautschuk
Der Latex des Kautschukbaums fließt in Leitungsbahnen unterhalb der Rinde. Um an den Latex zu gelangen, wird in den Morgenstunden die Rinde von Kautschukzapfern angeritzt. Durch die Einschnitte werden die Leitungsbahnen unterbrochen und der Latex kann tagsüber außen abfließen, wo er in eine Tasse oder Kokosschale tropft, die am Stamm darunter angebracht ist. Der aufgefangene Latex wird abends geerntet und weiterverarbeitet. Diese Sammelmethode wird von den Kautschukzapfern seit Generationen angewendet.
Der Latex des Kautschukbaums enthält ein Polymer namens Polyisopren. Polymere sind langkettige Moleküle, in denen kleine Moleküle – hier Isopren – tausendfach aneinandergefügt sind. Die vielen Polyisoprenketten sind im Ruhezustand lose miteinander verbunden. Werden sie auseinandergezogen, verbinden sie sich, was später dem Gummi seine Elastizität verleiht. Zum Zeitpunkt der Ernte besteht der Latex zu 30% aus Polyisopren und zu 60% aus Wasser. Der Rest sind andere natürliche Substanzen wie zum Beispiel Proteine, Stärke und Alkaloide. Durch die Zugabe von Ameisen- oder Essigsäure gerinnt (koaguliert) der Latex, und es entsteht eine quarkartige Masse, die getrocknet und zu Blöcken gepresst werden kann – das ist der Naturkautschuk.
Ab einem Alter von sieben Jahren nach dem Anbau liefert ein Kautschukbaum in einer Plantage pro Jahr etwa 1,5 Kilogramm Naturkautschuk. Auf einem Hektar einer Kautschukplantage können etwa 800 bis 900 Bäume gepflanzt werden.
Chico Mendes
Der wohl bekannteste Kautschukzapfer war Francisco Alves Mendes Filho alias Chico Mendes. Zu seinen Lebzeiten hatte er sich als Gewerkschaftsaktivist leidenschaftlich für die brasilianischen Kautschukzapfer (Seringueiros) eingesetzt, deren Lebensweise durch den Verlust der tropischen Regenwälder am Amazonas bedroht war. Im Jahr 1987 hat Mendes dafür den Global-500-Award der Vereinten Nationen erhalten. Sein erfolgreicher Kampf machte ihm viele Feinde, vor allem unter den Viehzüchtern. Chico Mendes wurde auf seiner Finca im Dezember 1988 erschossen – von einem Viehzüchter.
Die Geschichte des Kautschuks
Bereits 1.600 Jahre v. Chr. verwendeten indigene Völker in Mexiko und Mittelamerika den Latex von Hevea brasiliensis für Medikamente, Rituale und zum Malen. Der getrocknete Latex wurde von den Indigenen zu Schuhen verarbeitet und zu Gummibällen für zeremonielle Spiele. Mehr als 3.200 Jahre später, im Jahr 1645, wurde erstmals von Europäern beobachtet, wie die Indigenen den Latex durch das Anritzen der Rinde gewinnen und weiterverarbeiten.
Lange Zeit geschah nichts, bis der Franzose Charles-Marie de La Condamine im Jahr 1736 während einer Expedition in Südamerika den getrockneten Latex nach Europa schickte. La Condamine hat den französischen Begriff „caoutchouc“ für Kautschuk geprägt, der von dem Quechua-Wort „kwachu“ abgeleitet ist, was soviel bedeutet wie „weinendes Holz“. Der Brite Joseph Priestley erkannte später, dass es mit dem getrockneten Latex möglich war, Bleistiftmarkierungen wegzurubbeln („rubbing“). Daher kommt das englische Wort „rubber“, was im Deutschen mit „Gummi“ übersetzt wird.
Zahlreiche Tüftler bemühten sich fortan, die Verarbeitung des getrockneten Latex zu verbessern. Das Grundproblem konnten sie aber alle nicht lösen. Bei Hitze wurde die Masse weich und schmolz, bei Kälte wurde sie fest und brüchig. Zudem war sie klebrig, roch unangenehm und war leicht verderblich. Erst im Jahr 1839 erfand der US-Amerikaner Charles Goodyear, eher zufällig, die Vulkanisation, bei der die Polyisoprenketten im Naturkautschuk mittels Schwefel und Wärme vernetzt werden. Dadurch wird der Naturkautschuk fest, chemisch beständig und weniger klebrig gemacht. Gleichzeitig wurde seine Elastiziät erhalten. Der vulkanisierte Naturkautschuk wird Gummi genannt. Mit der Vulkanisation wurde der Grundstein für die moderne Gummiindustrie gelegt.
Schnell erkannten die Europäer das wirtschaftliche Potenzial von Gummi. Das Fahrrad wurde im Jahr 1817 erfunden, das Automobil folgte im Jahr 1886. Der schottische Tierarzt John Boyd Dunlop erfand schließlich im Jahr 1888 den Luftreifen. Dadurch stieg die Nachfrage nach Gummi schnell an. Das war der Beginn des Kautschuk-Booms. Bis ins Jahr 1900 wurden jährlich mehr als 40.000 Tonnen Gummi verarbeitet. Der dafür verwendete Naturkautschuk wurde je zur Hälfte von wild wachsenden Kautschukbäumen in den tropischen Regenwäldern Brasiliens und von wild wachsenden Landolphia-Reben in Zentralafrika gesammelt (Sammelkautschuk). Einige Gummibarone in Brasilien, darunter Brian Sweeney Fitzgerald (genannt Fitzcarraldo), gelangten durch das weiße Gold zu ungeheurem Reichtum.
Doch die Menge an Sammelkautschuk wurde der steigenden Nachfrage bald nicht mehr gerecht. Im Jahr 1876 hat der Engländer Henry Wickham in einem beispiellosen Akt von Biopiraterie 70.000 Samen von Hevea brasiliensis aus der Gegend von Santarem in Brasilien gestohlen („Gummidiebstahl“) und nach London geschmuggelt. Für die Brasilianer war Hevea brasiliensis so bedeutend, dass der Export jeglicher Pflanzenteile verboten war. Der erfolgreiche Gummidiebstahl brachte Wickham in England eine Ritterschaft ein.
In London zog Wickham aus den Samen Setzlinge heran, die er später nach Sri Lanka und Singapur verschiffte. So gelangte eine Kiste mit 22 Pflanzen im Jahr 1877 nach Singapur und wurde dort im Singapore Botanical Garden erfolgreich angepflanzt. Aus diesen wenigen Pflanzen sind im Jahr 1910 bereits 58 Millionen Kautschukbäume in Plantagen in Asien geworden. Weil Hevea brasiliensis ursprünglich nicht in Asien vorkam, gehen viele der heute existierenden Kautschukbäume auf diese wenigen Exemplare zurück. Sie sind sich alle genetisch ähnlich (genetische Armut), weswegen sie anfällig für Krankheiten sind.
Plantagenwirtschaft ist in Amazonien wegen des parasitär lebenden Schlauchpilzes Microcyclus ulei nur eingeschränkt möglich. Der Pilz verursacht bei Bäumen der Gattung Hevea die Südamerikanische Blattfallkrankheit. Durch die auf der Plantage eng aneinander stehenden Kautschukbäume wird der Pilz leicht von Baum zu Baum übertragen, was zu großen Ernteeinbußen führt. Der Pilz hat sich (noch) nicht bis nach Asien ausgebreitet, weswegen der asiatische Plantagenkautschuk den brasilianischen Sammelkautschuk zusehends vom Markt verdrängt hat. Einhergehend endete der brasilianische Kautschuk-Boom im Jahr 1912.
Fordlândia – Kautschuk für die Autoindustrie
Zwischen Belem und Manaus entstand während des Kautschuk-Booms ein Projekt, das nach seinem Erbauer „Fordlândia“ genannt wurde. Der Autobauer Henry Ford wollte am Rio Tapajós in Amazonien Kautschuk anbauen um seine Autos mit Reifen auszustatten. Viel Regenwald wurde in Fordlândia gerodet um Kautschukplantagen zu errichten. Doch aus der reichen Ernte wurde nichts. Das erhoffte weiße Gold, wie der Latex zwischendurch genannt wurde, sprudelte nicht, weil ein mikroskopisch kleiner Pilz die Kultivierung des Kautschukbaums in Plantagen verhinderte. Nie wurde jemals ein Reifen mit Kautschuk aus Fordlândia gefertigt.
Die Nachfrage nach Kautschuk steigt
Heutzutage werden rund 94% des Naturkautschuks in Asien hergestellt, wobei Thailand und Indonesien die wichtigsten Lieferanten sind, die mehr als 60% des weltweit gehandelten Naturkautschuks liefern. Lag die weltweite Produktion für Naturkautschuk in den 1960er-Jahre noch bei zwei Millionen Tonnen pro Jahr, überstieg sie Anfang der 1990er-Jahre bereits sechs Millionen Tonnen und erreichte im Jahr 2022 mehr als 15 Millionen Tonnen. Die wichtigsten Kautschuk-produzierenden Länder hinter Thailand und Indonesien sind Malaysia, gefolgt von China, Indien, den Philippinen, Vietnam und Sri Lanka sowie den westafrikanischen Staaten Nigeria, Elfenbeinküste, Kamerun und Liberia. Nur rund 2% der Weltproduktion stammen aus Südamerika.
Die Reifenindustrie verbraucht 70% des gesamten Naturkautschuks für die Herstellung von Auto-, Lastwagen-, Fahrrad- und Flugzeugreifen. Heute bestehen fast 50% aller Autoreifen und 100% aller Flugzeugreifen aus Naturkautschuk, der in diesem Bereich, wegen seiner besseren mechanischen Eigenschaften, dem synthetischen Kautschuk überlegen ist. Laut Bundesverband Reifenhandel und Vulkaniseur-Handwerk e.V. wurden in Deutschland im Jahr 2019 rund 53,3 Millionen Ersatzreifen für Autos, Lastwagen und Motorräder verkauft.
Naturkautschuk kommt in etwa 50.000 Produkten zum Einsatz, darunter Gummistiefel, Regenmäntel, Teichfolien, Schlauchboote, Matratzen und Kissen, Griffe an Gartengeräten, Badewannenstopfen, Türstopper, Ohrstöpsel, Wärmflaschen, Aquarienschläuche, Spielzeug, Gummibänder in Kleidung und Haargummis, Luftballons, Heftpflaster, Golfbälle, Radiergummis, Kaugummi, Kondome, Klebstoffe und Farben. In der Medizin wird Naturkautschuk hauptsächlich in Form von Schutzhandschuhen verwendet, aber auch für Gummimembranen von Kunstherzen, Infusionsschläuche, Katheder oder Spritzenstempel.
Große Flächen werden zu Kautschukplantagen
Die steigende internationale Nachfrage nach Naturkautschuk treibt den Ausbau von Monokulturplantagen im industriellen Maßstab und von Kleinbauern voran. Im Zentrum der Kautschukexpansion stehen Südostasien und Südwestchina. Der Kautschukanbau erfolgt in mehreren biogeografischen Regionen, darunter die tropischen Regenwälder von Sundaland (malaiische Halbinsel, Borneo, Sumatra, Java und Bali), Indo-Burma (Laos, Kambodscha, Vietnam, der größte Teil von Myanmar und Thailand), Wallacea (indonesische Inseln östlich von Bali und Borneo, aber westlich von Neuguinea sowie Osttimor) und der Philippinen. Um den prognostizierten Bedarf bis in das Jahr 2024 zu decken, sind zusätzliche Kautschukplantagen erforderlich. Das bedeutet, dass die tropischen Regenwälder in diesen Regionen, einschließlich vieler Schutzgebiete, bedroht sind.
In den etwas mehr als drei Jahrzehnten von 1985 bis 2022 hat sich die Anbaufläche für Kautschuk von 59.000 km2 auf 138.000 km2 mehr als verdoppelt. Dafür mussten auch jede Menge Wälder gerodet werden. Wissenschaftler schätzen, dass zwischen 1993 und 2016 insgesamt bis zu 60.000 km2 Wald für die Gewinnung von Kautschuk gerodet wurden. Hinzu kommt, dass im Jahr 2021 mehr als 10.000 km2 Kautschukplantagen in wichtigen Hot Spots der Artenvielfalt lagen, das sind Gebiete mit besonders großer Artenvielfalt.
In Thailand, Malaysia und Indonesien werden 85 bis 93% der Kautschukfläche von Kleinbauern bearbeitet, wobei in Thailand und Malaysia der Kautschuk überwiegend auf Plantagen und in Indonesien in Agrarwäldern gewonnen wird. In Agrarwäldern werden die Kautschukbäume zwischen anderen Bäumen angepflanzt. Anderswo auf dem südostasiatischen Festland werden 50 bis 77% Kautschukfläche agroindustiell bearbeitet, mit hohen Investitionen in Monokulturplantagen.
Die Provinz Jambi auf Sumatra, Indonesien, ist 50.085 km2 groß und erstreckt sich vom Barisan-Gebirge im Westen über ein ausgedehntes Tiefland bis zur südlichen Malakka-Straße im Osten. Die Ausbeutung der tropischen Regenwälder in der Provinz Jambi begann im Jahr 1970 mit den ersten kommerziellen Holzkonzessionen. Wälder wurden gerodet und Ackerland für den Anbau von Kautschukbäumen, Ölpalmen und Akazien (Zellstoffherstellung) geschaffen. Gleichzeitig wurden 400.000 Menschen aus der dicht besiedelten Region Java in die Provinz Jambi umgesiedelt, und zwar im Rahmen eines staatlichen Transmigrationsprogramms (transmigrasi) in den Jahren von 1967 bis 2007. Die Menschen wurden vorwiegend als Helfer im Ackerbau und in der agroindustriellen Landwirtschaft eingesetzt. Im Jahr 2014 gab es in der Provinz Jambi 6.500 km2 Kautschuk- und 5.900 km2 Ölpalmenplantagen. Nur noch 30% der Provinz Jambi sind von tropischen Regenwäldern bedeckt, hauptsächlich in weniger gut zugänglichen Bergregionen.
www-Tipps
- Complicit: An Investigation into Deforestation at Michelin’s Royal Lestari Utama Project in Sumatra, Indonesia. Mighty Earth, 2020.
- Naturkautschuk in der Lieferkette. Südwind e.V., 2019.
- Conflicts of human land-use and conservation areas: The case of Asian elephants in rubber-dominated landscapes of Southeast Asia. Franziska Kerstin Harich, 2017.
- Deep In The Amazon, An Unseen Battle Over The Most Valuable Trees. NPR, 2015.
Forschung
- Y. Wang et al.: High-resolution maps show that rubber causes substantial deforestation. Nature, 2023.
- D. Singh et al.: Tropical forest conversion to rubber plantation affects soil micro- & mesofaunal community & diversity. Scientific Reports, 2019.
- E. Warren-Thomas et al.: Protecting tropical forests from the rapid expansion of rubber using carbon payments. Nature Communications, 2018.
- S. Kurniawan et al.: Conversion of tropical forests to smallholder rubber and oil palm plantations impacts nutrient leaching losses and nutrient retention efficiency in highly weathered soils. Biogeosciences, 2018.
- E. Warren-Thomas et al.: Increasing Demand for Natural Rubber Necessitates a Robust Sustainability Initiative to Mitigate Impacts on Tropical Biodiversity. Conservation Letters, 2015.
- J. Fenske: „Rubber will not keep in this country“: Failed development in Benin, 1897-1921. MPRA Paper, 2010.
Presse
- Gier nach Kautschuk: Für Gummiherstellung wird weit mehr Regenwald gerodet als bekannt, Tagesspiegel, 19.10.2023.
- Geschichte eines Schmuggels, Spiegel Online, 26.01.2016.