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Zerstörung tropischer Regenwälder
Kakao – bittersüße Bohne und Kinderarbeit
Die Nachfrage nach Kakao steigt. Für den Anbau von Kakao werden tropische Regenwälder in Afrika zerstört. Knapp drei Viertel der Weltproduktion stammen aus dem westafrikanischen Kakaogürtel, wo Kinderarbeit und moderne Sklaverei auf den Kakaoplantagen an der Tagesordnung sind.
Die Geschichte des Kakaos ist eng mit der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklung des Menschen verbunden. Der wissenschaftliche Name des Kakaobaums lautet Theobroma cacao, was auf Griechisch „Nahrung der Götter“ (theo = Gott und broma = Nahrung) bedeutet. Botanisch wird der Kakaobaum den Malvengewächsen (Malvaeae) zugeordnet. Der Kakaobaum ist ein immergrüner Baum, der eine Höhe von 6 bis 12 Metern erreicht. Er gedeiht am besten in den Regenwaldregionen der Tropen in einem begrenzten geografischen Bereich von 20° nördlich und 20° südlich des Äquators. Botaniker vermuten, dass der Kakaobaum ursprünglich aus dem Quellgebiet des Amazonas in Südamerika stammt und sich von dort in zwei Hauptrichtungen verbreitet hat: im Norden bis nach Mittelamerika und im Osten durch das Amazonasbecken bis zu den Guayanas.
Kakaobohnen
Die Früchte des Kakaobaums wachsen direkt am Stamm und an größeren Ästen. Diese Besonderheit wird in der Botanik als Stammblütigkeit oder Kauliflorie bezeichnet. Die Farbe reifer Kakaofrüchte variiert von gelblichbraun bis fast rot. Bis die Früchte gereift sind, dauert es etwa 4 bis 8 Monate. Jede Frucht enthält etwa 25 bis 75 ovale Samen (Kakaobohnen), die von einem süß-sauren Fruchtfleisch umgeben sind. Kakaobohnen sind normalerweise weiß, werden jedoch während des Trocknungsprozesses violett oder rotbraun. Jeder Kakaobaum produziert pro Jahr 50 bis 60 Früchte, was etwa 7 bis 9 Kilogramm trockenen Kakaobohnen pro Baum pro Jahr entspricht. Getrocknete Kakaobohnen bestehen aus Kakaobutter (54%), Eiweiß (11,5%), Stärke (9%) und Wasser (etwa 5%). Daneben enthalten sie unzählige weitere Substanzen, einschließlich der Alkaloide Theobromin und Koffein sowie aromatische Öle.
Ernte und Verarbeitung
Kakao wird das ganze Jahr über geerntet, die Hauptsaison ist jedoch von November bis Januar und von Mai bis Juli. Die Ernte erfolgt per Hand mit scharfen Macheten. Maschinen können nicht eingesetzt werden, weil die Fruchtreife zu unterschiedlichen Zeiten erfolgt und der Kakaobaum ständig neue Blüten und Früchte bildet. Die Früchte werden nach der Ernte geöffnet und die Kakaobohnen mit dem Fruchtfleisch herausgenommen.
Die Kakaobohnen werden anschließend mitsamt Fruchtfleisch in Fermentationsboxen oder zwischen Bananenblätter gelegt. Dort bleiben sie für etwa 5 bis 6 Tage, wobei der in den Kakaobohnen enthaltene Zucker in Alkohol umgewandelt wird (Fermentation oder Gärung). Das Fruchtfleisch wird flüssig und läuft ab. Während der Fermentation entwickeln sich die typischen aromatischen Eigenschaften und die braune Farbe der Kakaobohnen.
Nach der Fermentation werden die Kakaobohnen getrocknet, wobei der Feuchtigkeitsgehalt von etwa 60% auf etwa 5 bis 7% reduziert wird. In den meisten Ländern erfolgt das Trocknen in der Sonne. Die Bohnen werden in 5 Zentimeter dicken Schichten ausgebreitet und etwa 14 Tage lang getrocknet. Bei der industriellen Verarbeitung werden auch Heißlufttrockner zum Trocknen der Kakaobohnen eingesetzt.
Im nächsten Schritt werden die getrockneten Bohnen geröstet. Das Rösten erfolgt bei Temperaturen von 98°C und dauert zwischen 10 und 115 Minuten. Ähnlich wie die Fermentation verleiht das Rösten den Kakaobohnen ihr einzigartiges Kakaoaroma. Bohnen von schlechter Qualität müssen länger und bei höheren Temperaturen geröstet werden, wodurch sich die Bitterkeit erhöhen kann. Nach dem Rösten werden die Schalen der Kakaobohnen entfernt. Die Bohnen werden dann fein gemahlen, wobei eine flüssige Masse entsteht, die als Kakaomasse bezeichnet wird und zu Schokolade verarbeitet werden kann.
Der westafrikanische Kakaogürtel
Der Kakaobaum wurde aus Brasilien im 19. und frühen 20. Jahrhundert nach Westafrika eingeführt, wo er bis heute hauptsächlich von Kleinbauern angebaut wird. Derzeit sind etwa 2 Millionen Kleinbauern in Westafrika für ihren Lebensunterhalt auf Kakao angewiesen.
Rund 70% der weltweiten Kakaoproduktion stammen aus dem westafrikanischen Kakaogürtel, der sich entlang der Küsten des Golfs von Guinea in Westafrika zieht. Er reicht von Sierra Leone über Liberia, Elfenbeinküste, Ghana, Togo, Benin und Nigeria bis in den Süden Kameruns. Lediglich in Benin wird kein Kakao angebaut, weil dort die Savanne bis zum Meer reicht und die saisonale Trockenheit des Klimas den Anbau dürreempfindlicher Pflanzen wie Kakao unmöglich macht. Etwas Kakao wird auch in Afrika weiter östlich des Kongobeckens produziert, zum Beispiel in Tansania und der Demokratischen Republik Kongo, aber die produzierten Mengen sind gering verglichen mit denen des westafrikanischen Kakaogürtels.
Die Kakaoindustrie der Welt hängt gegenwärtig am Tropf des westafrikanischen Kakaogürtels, nicht nur wegen der enormen Menge Kakaos, die dort produziert wird, sondern auch wegen der hochwertigen Qualität der Kakaobohnen. Ghanaischer Kakao gilt allgemein als Goldstandard für Kakao auf dem Weltmarkt. Im Jahr 2018 wurden weltweit 5,25 Millionen Tonnen Kakaobohnen produziert, wovon 40% auf die Elfenbeinküste, 20% auf Ghana, 5% auf Nigeria und 5% auf Kamerun entfielen.
Noch im Jahr 1989 war Brasilien der zweitgrößte Kakaoproduzent der Welt. Doch dann wurden die Kakaobäume in Lateinamerika und auf den Karibikinseln durch den Pilz Crinipellis perniciosa heimgesucht, der die für die Pflanzen schädliche Hexenbesenkrankheit hervorruft. Die Hexenbesenkrankheit ist eine der zerstörerischten Kakaokrankheiten und verursacht enorme wirtschaftliche Schäden in den betroffenen Regionen, hauptsächlich im brasilianischen Bundesstaat Bahia. Brasilien produziert deswegen heute nur noch 4% allen weltweit angebauten Kakaos.
Kakaobäume statt Regenwald
Einst waren die Länder des westafrikanischen Kakaogürtels von tropischen Regenwäldern bedeckt, die sich von Guinea im Westen bis nach Kamerun im Osten erstreckten, wo sie in die tropischen Regenwälder des Kongobeckens übergingen. Ein großer Teil dieser tropischen Regenwälder wurde gerodet um Landwirtschaft zu betreiben, einschließlich und hauptsächlich für den Anbau von Kakao.
Die Elfenbeinküste verliert ihre tropischen Regenwälder schneller als jedes andere afrikanische Land, weniger als 4% des Landes sind heute noch von tropischen Regenwäldern bedeckt – einst war es ein Viertel. Wegen des Verlusts ihres Lebensraums sind Waldelefanten und Schimpansen massiv vom Aussterben bedroht. In der Elfenbeinküste stehen zwar 19.900 Quadratkilometer tropische Regenwälder unter Schutz. Trotzdem sind große Flächen der geschützen Wälder degradiert und bereits bis zu 75% abgeholzt. Sie werden agroforstwirtschaftlich genutzt für den Anbau von Kakao. Rund 40% des Kakaos in der Elfenbeinküste werden illegal in Nationalparks und 230 angeblich geschützten Wäldern in Staatsbesitz angebaut. Kakao ist für die Elfenbeinküste von enormer wirtschaftlicher Bedeutung und macht laut Weltbank zwischen 10 und 15% des Bruttoinlandsprodukts und fast 40% seiner Exporteinnahmen aus.
Agroforstwirtschaft
Agroforstwirtschaft ist ein Sammelbegriff für Landnutzung, bei der holzige Pflanzen (Bäume, Sträucher, Palmen, Bambus usw.) auf denselben Flächen angepflanzt werden, auf denen auch landwirtschaftliche Nutzpflanzen kultiviert und/oder Tiere gehalten werden. So sollen nicht nachhaltige Monokulturen vermieden werden. Am Beispiel Kakao bedeutet das, dass Wälder nicht mehr vollständig für den Anbau von Kakao in Monokulturen gerodet werden, sondern dass die Kakaobäume in bestehende Wälder integriert werden.
Die Reise der Kakaobohnen
Die Reise der Kakaobohnen beginnt bei den Kleinbauern im westafrikanischen Kakaogürtel. Sie verkaufen ihre Ernte an Zwischenhändler, die die Säcke mit den Kakaobohnen transportieren und an Genossenschaften verkaufen. Die Genossenschaften wiederum verkaufen dann an große internationale Handelshäuser, wie zum Beispiel Cargill, die dann an Schokoladenfirmen wie Mars verkaufen. Mit jedem Schritt findet eine Wertschöpfung statt, aber Kleinbauern erhalten nur 6% des Verkaufspreises eines Schokoriegels, verglichen mit den 80%, die Handelshäuser, Hersteller und Einzelhändler abschöpfen.
In der Kakao- und Schokoladenindustrie werden jährlich Waren im Wert von 100 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Dabei verdienen die Arbeiter und Kleinbauern im Durchschnitt weniger als einen Dollar pro Tag und arbeiten häufig in drückender Hitze ohne Schatten und unter hoher Pestizidbelastung. Zudem ist das Vertriebssystem für Kakao laut einem Bericht der Weltbank aus dem Jahr 2017 „oft unberechenbar und unterliegt Korruption und unberechenbaren politischen Eingriffen“.
Kinderarbeit und Sklaverei in der Lieferkette
Studien gehen davon aus, dass mehr als 2 Millionen Kinder auf den Kakaoplantagen im westafrikanischen Kakaogürtel arbeiten und dass Menschenhandel und Sklaverei weit verbreitet sind. Einerseits arbeiten viele Kinder auf den Plantagen ihrer Eltern, wo sie Macheten schwingen, Land roden, schwere Lasten tragen, Kakaofrüchte sammeln und Pestizide versprühen. Andererseits werden Kinder von Menschenhändlern aus angrenzenden Ländern, wie zum Beispiel Burkina Faso, auf die Kakaoplantagen gebracht, um dort zu arbeiten. Der Kinderhandel boomt – es ist die moderne Art der Kinderskalverei. Für ihre gefährliche Arbeit erhalten die Migrantenkinder oftmals nur 5 Dollar pro Woche, während sich die Menschenhändler die Taschen vollstopfen.
Unter dem Druck des US-Kongresses haben bereits im Jahr 2001 Vertreter der größten Kakao- und Schokoladenunternehmen versprochen, die „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ von ihren westafrikanischen Kakaolieferanten verbannen zu wollen. Bis heute können sie allerdings nicht garantieren, dass ihre Schokolade und Pralinen ohne Kinderarbeit hergestellt wurden.
Der Grund dafür findet sich in den komplexen, globalen Lieferketten, die nicht lückenlos rückverfolgt werden können (oder sollen). Die Hersteller können immer noch nicht die Farmen und Kleinbauern identifizieren, von denen sie Kakao beziehen, geschweige denn, ob es in der Lieferkette Kinderarbeit gegeben hat. Im Jahr 2017 hat sich die weltweite Kakao- und Schokoladenindustrie zwar dazu verpflichtet, „Kakao ohne Entwaldung“ zu verwenden, wobei eine vollständige Rückverfolgbarkeit der Lieferkette angestrebt wird, um letztendlich die Entwaldung zu beenden. Das Problem besteht allerdings darin, dass die Initiativen von Unternehmen zur „Lieferkette ohne Kinderarbeit“ und „Kakao ohne Entwaldung“ bislang nur bescheidene Erfolge erzielt haben.
Möglicherweise wäre ein Mittel zur Bekämpfung der Kinderarbeit, dass den Kleinbauern mehr Geld für ihren Kakao bezahlt wird. Mehr Geld würde ihnen ermöglichen, die Schulkosten ihrer Kinder zu bezahlen, ihre Armut zu lindern und sie weniger verzweifelt machen. Im Rahmen des Fairtrade-Programms erhalten Kleinbauern in der Elfenbeinküste um 10% höhere Preise, was aber noch nicht ausreicht, um sie aus der Armut zu befreien. Deswegen bezahlen andere Unternehmen der Kakao- und Schokoladenindustrie 40% mehr, um die Existenz der Kleinbauern zu sichern.
Was können Verbraucher tun?
Trotz des wachsenden öffentlichen Bewusstseins können Verbraucher wegen der komplexen, globalen Lieferketten in der Kakao- und Schokoladenindustrie meist nicht erkennen wo ihrer Schokolade herkommt. Abgesehen von Schokoladenprodukten mit deutlich höheren Preisen bleibt der Schokoladenkonsument über die sozialen und ökologischen Auswirkungen seiner Einkäufe oftmals im Dunkeln. Trotzdem kann auf folgendes geachtet werden:
- Schokoladenprodukte aus fairem Handel kaufen, obwohl deren Kaufpreis meist etwas höher liegt als bei herkömmlichen Produkten.
- Auf der Verpackung von Fairtrade-Schokoladenprodukten ist in der Zutatenliste aufgeführt, ob für den Kakao ein Mengenausgleich durchgeführt wurde. Wer nur fair gehandelte Rohstoffe in seinem Fairtrade-Produkt haben möchte, sollte deswegen auf die Kennzeichnung „mit Mengenausgleich“ achten und gegebenenfalls ein anderes fair gehandeltes Produkt auswählen. Wünschenswert wäre, dass künftig der Fairtrade-Anteil des Mengenausgleichs exakt angegeben wird.
www-Tipps
- Schokolade – Das bittere Geschäft. Sehenswerte ZDFinfo-Doku in der Mediathek.
- Chocolate’s Dark Secret. Mighty Earth, 2017.
- Wie fair ist FairTrade-Schokolade wirklich? Der Schokoladen-Jäger, 2017.
Forschung
- S. Sadhu et al.: Assessing Progress in Reducing Child Labor in Cocoa Production in Cocoa Growing Areas of Côte d’Ivoire and Ghana. Chicago: NORC ,2020.
- L. Gateau-Rey et al.: Climate change could threaten cocoa production: Effects of 2015-16 El Niño-related drought on cocoa agroforests in Bahia, Brazil. PLoS ONE, 2018.
- G. Schroth et al.: Vulnerability to climate change of cocoa in West Africa: Patterns, opportunities and limits to adaptation. Science of The Total Environment, 2016.
- L. Armengot et al.: Cacao agroforestry systems have higher return on labor compared to full-sun monocultures. Agronomy for Sustainable Development, 2016.
- L.M. Scarpari et al.: Biochemical changes during the development of witches‘ broom: the most important disease of cocoa in Brazil caused by Crinipellis perniciosa. Journal of Experimental Botany, 2005.
Presse
- Dramatische Abholzung: Warum verschwinden Afrikas Wälder? Deutsche Welle, 10.08.2020.