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Zerstörung tropischer Regenwälder
Genetische Verarmung – der Verlust der genetischen Vielfalt
Mit den tropischen Regenwäldern geht eine einzigartige Artenvielfalt und damit auch eine große genetische Vielfalt verloren. Genetische Vielfalt ist ein guter natürlicher Schutz gegen Seuchen und andere Krankheiten.
Genetische Vielfalt
Gene sind die Grundeinheiten allen Lebens auf der Erde. Sämtliche Lebensformen enthalten Gene, seien es Mikroorganismen, Pflanzen oder Tiere. Genetische Vielfalt ist die Vielfalt der Gene innerhalb einer Art. Jede Art besteht aus Individuen, von denen in der Regel keine zwei Individuen genetisch identisch sind. Je größer die genetische Vielfalt innerhalb einer Art ist, desto größer sind ihre langfristigen Überlebenschancen. Eine verringerte genetische Vielfalt kann zu verminderter Fruchtbarkeit und erhöhter Anfälligkeit für Krankheiten (zum Beispiel Erbkrankheiten) führen.
Definition der Vereinten Nationen
Die Vereinten Nationen (UN) haben im Jahr 1992 die genetische Vielfalt definiert als „die Variation in der Menge genetischer Informationen innerhalb und zwischen Individuen einer Population, einer Art, einer Ansammlung oder einer Gemeinschaft.“
Verlust genetischer Vielfalt in der Landwirtschaft
Der größte Teil der weltweit angebauten Nahrungs- und Futterpflanzen besteht aus wenigen Arten wie Weizen, Reis, Mais, Gerste, Kartoffeln, Süßkartoffeln, Maniok und Sojabohnen. Der Bestand an Nutzvieh nimmt sich ebenfalls bescheiden aus mit Rind, Schwein, Geflügel, Schaf, Ziege und Pferd. In der Forstwirtschaft sind es Fichte, Tanne, Douglasie und Pappel. Die Vielfalt der Fische in der Fischzucht beschränkt sich auf Forelle, Lachs, Barsch und Karpfen.
In unserer Hochleistungslandwirtschaft gehört die genetische Armut schon lange zum Alltag. Sehr wirkungsvoll erfolgt seit dem 18. Jahrhundert die Umwandlung ursprünglich artenreicher Lebensräume in Massenkulturen mit wenigen Arten an Nutzpflanzen und -tieren. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts sind drei Viertel der genetischen Vielfalt in der Landwirtschaft verloren gegangen. Heute hängt die Ernährung der Welt von etwa 30 Pflanzenarten ab.
Ursprung in den Tropen
Mehr als drei Viertel aller Nutzpflanzen haben ihren Ursprung in den Tropen, darunter die drei Hauptnahrungsmittel der Menschheit: Weizen, Reis und Mais. Auch die Vorfahren des Haushuhns waren ursprünglich in den tropischen Regenwäldern unterwegs.
Reis
Reis ist gleichermaßen ein schönes wie tragisches Beispiel für die genetische Verarmung, auch genetische Erosion genannt. Obwohl etwa 5.000 Reissorten bekannt sind, gehen drei Viertel des weltweit angebauten Reis‘ aus lediglich einer Sorte hervor. In Indonesien sind in den letzten 20 Jahren etwa 1.500 lokal angepasste Reissorten ausgestorben. Monokulturen, gleich welcher Art, erfordern aufwendigen Schutz vor Krankheitserregern und anderen Schädlingen. In Sri Lanka wurden im Jahr 1959 etwa 2.000 verschiedene Reissorten angebaut, im Jahr 2002 waren es nur noch fünf.
Schutz vor Krankheiten
Je größer allerdings die genetische Vielfalt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit der gegenseitigen Ansteckung und der Ausbreitung einer Krankheit. Genetische Vielfalt äußert sich einerseits in Artenreichtum, andererseits in geringem Verwandtschaftsgrad der verschiedenen Individuen um Inzucht zu vermeiden. Genetische Vielfalt entscheidet über den Erfolg einer Art. Dann haben auch Seuchen wie zum Beispiel die Vogelgrippe oder die Blauohrenkrankheit keine Chance mehr. Die Blauohrenkrankheit hat in China zeitweise zum Kollaps der Schweinefleischversorgung geführt.
Wie gefährlich die genetische Armut ist, zeigte sich auch in den 1970er-Jahren, als es eine Krise in der weltweiten Reisproduktion gab, weil eine Viruserkrankung ein Viertel der asiatischen Reisproduktion vernichtet hat. Zum Glück gab es in der Gendatenbank des Internationalen Reisforschungszentrums eine wilde Reissorte, der das Virus nichts anhaben konnte. Die resistente Sorte wurde nur an einer Stelle in einem Tal gefunden, das danach für ein Wasserkraftwerk überflutet wurde. Deshalb muss die genetische Vielfalt und deshalb müssen die tropischen Regenwälder mit ihrem Artenreichtum bewahrt werden.
Genetische Armut des amerikanischen Sojas
Die gesamte Sojaproduktion der USA beruht auf nur 6 einzelnen Pflanzen eines einzigen Standorts in Asien.
Auch beim Kautschuk ist genetische Armut ein Problem. Viele Millionen der heute existierenden Kautschukbäume (Hevea brasiliensis) gehen auf wenige Exemplare zurück, die Ende des 19. Jahrhunderts von Brasilien nach Asien geschmuggelt wurden. Sie sind sich alle genetisch ähnlich. In Brasilien macht der parasitär lebende Schlauchpilz Microcyclus ulei den Plantahenanbau von Kautschuk unmöglich. Der Pilz verursacht bei Bäumen der Gattung Hevea die Südamerikanische Blattfallkrankheit. Durch die auf der Plantage eng aneinander stehenden Kautschukbäume wird der Pilz leicht von Baum zu Baum übertragen, was zu großen Ernteeinbußen führt. Noch hat sich der Pilz nicht bis nach Asien ausgebreitet. Weil sich die asiatischen Kautschukbäume genetisch alle ähnlich sind, hätte der Pilz dort leichtes Spiel und könnte ohne weiteres die Gummiversorgung in der Weltwirtschaft gefährden.
Alternative Nutzpflanzen
Heute sind etwa 75.000 Pflanzenarten bekannt, die genießbar und höherwertiger sind als unsere Nutzpflanzen. In Neuguinea wächst zum Beispiel die Goa- oder Flügelbohne (Psophocarpus tetragonolobus). Die gesamte Pflanze mitsamt der Wurzeln, Samen, Blätter, Stengel und Blüten ist essbar. Aus ihrem Saft lässt sich ein kaffeeähnliches Getränk herstellen. Sie wächst schnell, wird bis zu vier Meter hoch und hat den gleichen Nährwert wie die Sojabohne.
Viele Wildpflanzen enthalten Stoffe, die vom Menschen genutzt werden könnten. Das reicht vom Fasermaterial bis zum Öl, das sich aus Wildpflanzen gewinnen lässt. Ein schönes Beispiel dafür ist die Babassu-Palme (Orbignya phalerata) aus Amazonien. 500 Bäume dieser Palmenart geben 20.000 Liter Öl, das für die menschliche Ernährung wunderbar geeignet ist.
Als Energiepflanze könnte die Duchwachsene Silphie (Silphium perfoliatum) den Mais teilweise ersetzen. Das mehrjährige Gewächs aus der Familie der Korbblüter stammt ursprünglich aus Nordamerika. In Deutschland wird die Pflanze vereinzelt als Futterpflanze angebaut. Ihr Einsatz als Energiepflanze scheint allerdings einträglicher. Sie wächst gut auf trockenen Standorten und produziert viel Biomasse. Daneben stellt sie für Bienen, Hummeln und andere Insekten eine willkommene Abwechslung in der einheimischen Landwirtschaft dar.
www-Tipp
- Homepage des Internationalen Zentrums für Reisforschung.
Presse
- Silphie als neue Energiepflanze. DW Online, 17.08.2017.
- Biodiversität: Seltene Arten helfen Ökosystemen, Spiegel Online, 29.05.2013.
- Der Genpool schrumpft bedrohlich schnell, Welt Online, 23.04.2008.
- Tropische Krankheiten erreichen Europa, Welt Online, 13.09.2007.
- Bald Arzneimittel aus der Insektenapotheke? Stern Online, 16.04.2005.