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Ökosystem Regenwald
Boden und Humus – das Paradoxon des Regenwalds
Die üppige Vielfalt der tropischen Regenwälder gedeiht typischerweise auf ausgelaugten und nährstoffarmen Böden, deren Humusschicht oftmals nur wenige Millimeter dünn ist. Pilze und Mikroorganismen sind effiziente Verwerter allen organischen Materials.
Boden entsteht in einem Jahrmillionen dauernden Prozess, wenn Gestein verwittert. Das heißt, Wärme und Feuchtigkeit fördern chemische Reaktionen, die dazu führen, dass das ursprünglich feste Gestein aufgelöst wird und sich daraus feine Partikel bilden – das ist der Boden. Verrotten zeitgleich Überreste von Pflanzen und Tieren an der Oberfläche, dann reichert sich zusätzlich organisches Material im Boden an. Etwa die Hälfte des organischen Materials besteht aus Kohlenstoff.
Die Böden tropischer Regenwälder
Über viele Millionen Jahre haben die leicht sauren Niederschläge und hohe Temperaturen in den Tropen das Gestein aufgelöst und in Boden verwandelt. Die chemische Verwitterung ist bei hohen Niederschlägen ausgeprägt, daher sind die Bodenprofile oftmals mehrere Meter tief, und es gibt wenig voneinander abgrenzbare Bodenschichten (sogenannte Horizonte) unter der dünnen organischen Oberflächenschicht.
Die Böden der tropischen Regenwälder sind typischerweise Latosole. Kieselsäure und andere Kationen (positiv geladene Teilchen) wurden aus den Böden ausgewaschen, wobei saure Böden mit hohen Anteilen an Aluminium- und Eisenoxiden zurückblieben. Die Bodenfarbe ist deswegen oft rötlich oder gelblich-rot. Unter bestimmten Niederschlagsbedingungen konzentrieren sich Eisenverbindungen in einer bestimmten Bodenschicht (Laterit), die hart und für Pflanzenwurzeln fast undurchlässig werden kann. Die Bilder unten zeigen typische Bodenprofile der feuchten Tropen mit dem sehr dünnen organischen Oberboden (Humusschicht) und dem darunter liegenden Unterboden (Mineralboden).
Hoher Säuregehalt und schlechte Nährstoffspeicherung
Die Böden tropischer Regenwälder sind sauer. Beispielsweise hat der Boden in einem tropischen Regenwald im Einzugsgebiet des Orinoco in Kolumbien einen durchschnittlichen pH-Wert von 5,9. Zum Vergleich: ein pH-Wert von 7 gilt als neutral. Bäume und Pflanzen müssen sich an diese sauren Bodenbedingungen anpassen. Denn um Nährstoffe aus dem Boden aufnehmen zu können, sind die Wurzeln von Pflanzen auf einen Säuregradienten angewiesen. Ein Säuregradient ist ein Säuregefälle, das heißt, der Säuregehalt innerhalb der Wurzelzellen und in dem sie umgebenden Boden ist unterschiedlich groß. Wenn der Boden sauer ist, gibt es wenig Unterschied im Säuregehalt und daher wenig Aufnahme von Nährstoffen aus dem Boden durch die Wurzelzellen, denn diese sind in ihrem Inneren vergleichbar sauer wie der Boden.
Weiterhin haben die Tonpartikel in den Böden tropischer Regenwälder nur eine geringe Kationenaustauschkapazität. Vereinfacht ausgedrückt, wird damit die Fähigkeit eines Bodens beschrieben, Nährstoffe zurückzuhalten und zu speichern. Die Kationenaustauschkapazität wird auf einer Skala von 0 bis 50 gemessen, wobei 0 einem Boden zugeordnet wird, aus dem alle Nährstoffe vollständig ausgewaschen werden und 50 einem Boden, der keine Entwässerung zulässt. Der oben genannte tropische Regenwald im Einzugsgebiet des Orinoco hat auf dieser Skala einen Wert von 1. Das heißt, Nährstoffe können von dem Boden praktisch nicht zurückgehalten werden und werden ausgewaschen.
Tatsächlich ist es kaum zu glauben, dass viele tropische Regenwälder auf quasi unfruchtbaren Sandböden wachsen – und doch ist es so. Wenn diese Böden so nährstoffarm sind, woher nehmen dann die Pflanzen ihre Nährstoffe? Die Antwort ist einfach – sie sind für ihren Nährstoffbedarf sehr wenig von den Böden abhängig. Die aus dem organischen Material am Urwaldboden freigesetzten Nährstoffe werden von den Pflanzen in einem fast geschlossenen Nährstoffkreislauf sofort wieder aufgenommen und versickern nur wenig in tiefere Bodenschichten. Der Prozess erinnert an Recycling und wird unterstützt durch Mykorrhiza-Gemeinschaften im Boden.
Vielen tropischen Böden mangelt es an Phosphor
Grundsätzlich brauchen Pflanzen zum Wachsen Wasserstoff, Kohlenstoff und Sauerstoff aus der Luft und aus dem Wasser. Hinzu kommen 13 lebensnotwendige Nährstoffe aus dem Boden, wobei zwei Gruppen von Nährstoffen unterschieden werden:
- Makronährstoffe
Magnesium, Kalium, Kalzium, Schwefel, Stickstoff und Phosphor. - Mikronährstoffe (Spurenelemente)
Bor, Chlor, Eisen, Kupfer, Mangan, Molybdän und Zink.
Viele tropische Tieflandregenwälder wachsen auf stark verwitterten Böden, die relativ reich sind an Stickstoff, aber keine essentiellen Elemente aus Gesteinen aufweisen, insbesondere Phosphor. Das heißt, viele tropische Tieflandregenwälder sind durch eine geringe Phosphor-Verfügbarkeit des Bodens gekennzeichnet. Dafür ist das Stickstoff-Phosphor-Verhältnis in der Streu höher. Die Streu ist ein Sammelbegriff für aus dem Kronendach herabgefallende Pflanzenreste und anderes organisches Material auf dem Urwaldboden. In der Streu ist viel Stickstoff enthalten, auf den die Pflanzen nach der Zersetzung unter anderem mit Hilfe von Mykorrhiza-Gemeinschaften zugreifen können.
Anders als Tieflandregenwälder sind Bergregenwälder oftmals auch durch eine geringe Stickstoff-Verfügbarkeit gekennzeichnet, was möglicherweise auf Temperatur- und Feuchtigkeitseffekte während der Mineralisierung im Boden zurückzuführen ist.
In tropischen Regenwäldern ist die Humusschicht sehr dünn
Humus (lateinisch für Erde, Boden) ist die Bezeichnung für die organischen Bestandteile in und auf dem Boden. Zur Humusbildung tragen Regenwürmer, Milben und Bakterien bei, die die Tier- und Pflanzenreste mechanisch zerkleinern. Während der anschließenden organischen (biochemischen) Zersetzung werden Mineralstoffe freigesetzt, wie zum Beispiel Phosphor, Kalium, Kalzium und Magnesium. Diese Mineralstoffe reichern sich im Humus an und dienen den Pflanzen als natürlicher Dünger.
In den gemäßigten Breiten dauert es bis zu fünf Jahre bis organisches Material auf dem Waldboden vollständig verrottet ist und keine Blattstrukturen mehr erkennbar sind (wobei Blätter schneller verschwinden als Zweige). Das liegt daran, dass organisches Material nicht das ganze Jahr über verrotten kann. Die Geschwindigkeit, mit der organisches Material verrottet, ist abhängig von der Temperatur. Im Winter ist es in den gemäßigten Breiten schlichtweg zu kalt, es verrottet nur wenig. Dafür kann sich organisches Material im Laufe der Zeit ansammeln, und es bildet sich eine dicker werdende Humusschicht. Die Jahreszeiten der gemäßigten Breiten verhindern also, dass der Prozess der Verrottung ganzjährig unter gleichbleibenden, idealen Bedingungen stattfinden kann. Im Herbst und Winter verrottet wenig, es ist Pause.
Kleintiere und Mikroorganismen
Regenwürmer, Termiten, Ameisen, Käferlarven, Asseln, Hundert- und Tausendfüßer gehören zu den Kleintieren die organisches Material am und im Boden abbauen. Was Kleintiere nicht abzubauen vermögen, wird von Mikroorganismen übernommen. Dazu gehören Bakterien und Pilze.
Anders ist es in vielen tropischen Regenwäldern, die durch eine oftmals nur wenige Millimeter dicke Humusschicht gekennzeichnet sind. Im Gegensatz zu den gemäßigten Breiten führen ganzjährig hohe Temperaturen und viel Regen dazu, dass organisches Material auf dem Boden pausenlos und rasend schnell von Kleintieren und Mikroorganismen zersetzt wird. Es bleibt keine Zeit, dass sich nicht verrottetes organisches Material auf dem Boden anreichert, wie es in den gemäßigten Breiten im Herbst und Winter geschieht. So dauert es etwa ein Jahr, bis alles soweit verrottet ist, dass keine Blattstrukturen mehr sichtbar sind.
Holzfresser
Für viele Kleinlebewesen ist Holz kein verwertbares organisches Material, da sie die wichtigsten Holzbestandteile Zellulose und Lignin nicht verdauen können. Termiten haben sich auf Holz spezialisiert, sie sind die wohl bekanntesten Holzfresser in den Tropen. Für viele Arten ist Holz Wohnung und Nahrung zugleich. Dabei nutzen die mit den Schaben verwandten Insekten auch die Vorarbeit von Pilzen.
Pilze sind die großen Entsorger, sie spielen eine große Rolle bei jeglicher Art von Zersetzung im tropischen Regenwald. Mit dichten Geflechten aus dünnen weißlichen Fäden durchziehen sie alles abgestorbene organische Material, zersetzen es und nehmen die frei werdenden Nährstoffe auf. Holz gehört dabei zu ihren Spezialitäten.
Schimmel
Alles was im Tieflandregenwald von Französisch-Guayana nicht trocken gehalten werden kann, beginnt früher oder später zu schimmeln. Sämtliche Ausrüstung wie Taschen, Schuhe, Kleidung, Seile und selbst Objektive, Kameras und Computer – alles verschimmelt rasend schnell.
Brandrodung verändert die Böden
Brandrodung verändert die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Bodens. Die Asche der verbrannten Urwaldriesen ist stark alkalisch (basisch). Das verringert den Säuregehalt des Bodens, erhöht die Aktivität von Bodenbakterien und steigert die Nährstoffverfügbarkeit des Bodens. Das heißt, durch die Asche wird das Pflanzenwachstum der Kulturpflanzen auf den sauren tropischen Böden begünstigt.
Diese positiven Auswirkungen der Asche auf das Wachstum der Kulturpflanzen (zum Beispiel Sojabohnen) sind jedoch nur von kurzer Dauer. Weil mit der Brandrodung die Zusammensetzung der Mykorrhiza-Gemeinschaften im Boden gestört wird, können in der Folge gut lösliche Elemente wie Kalium, Kalzium oder Magnesium schnell aus dem Boden ausgewaschen werden. Dadurch wird das Wachstum der Kulturpflanzen begrenzt. Zusätzlich fehlt Stickstoff im Boden, der bei der Verbrennung in die Atmosphäre freigesetzt wurde.
Wegen der raschen Auswaschung von Nährstoffen und dem Mangel an Stickstoff ist die Aschedüngung nicht für eine Langzeitkultivierung von Kulturpflanzen geeignet. Die wiederholte mehrjährige Kultivierung führt zu einer Erschöpfung der Bodennährstoffe. Durch den massiven Einsatz von Dünger kann die Anbauzeit verlängert werden. Auf Ölpalmen- und Kautschukplantagen in Indonesien werden pro Jahr 300 bis 600 kg pro Hektar bzw. 100 bis 300 kg pro Hektar anorganischer Stickstoff-Phosphor-Kalium-Dünger eingesetzt. Weiterhin werden auf den Plantagen Kuhmist und Kalk ausgebracht, und zweimal im Jahr kommen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Kalk verringert den Säuregehalt des Bodens.
www-Tipps
- Bodenreport, Bundesamt für Naturschutz, Januar 2021.
- Unser wichtigster Kohlenstoffspeicher: Wie der Boden als dünne Haut der Erde globale Stoffkreisläufe und das Klima beeinflusst. Max-Planck-Institut für Biogeochemie, 2011.
- Böden und Landwirtschaft in den immerfeuchten Tropen, von PD Dr. Kehl.
- Die Böden der feuchten Subtropen und Tropen.
- Zersetzung und Humifizierung, Uni Münster.
- L. Beck: Streuabbau und Bodenfauna in Wäldern gemäßigter und tropischer Breiten.
Buchtipps
- Peter Laufmann: Der Boden – Das Universum unter unseren Füßen. C. Bertelsmann Verlag, München, 2020.
- Florian Schwinn: Rettet den Boden! Westend Verlag GmbH, 2019.
Forschung
- J.L. Soong et al.: Soil properties explain tree growth and mortality, but not biomass, across phosphorus-depleted tropical forests. Scientific Reports, 2020.
- J.W. Dalling et al.: Nutrient Availability in Tropical Rain Forests: The Paradigm of Phosphorus Limitation. Tropical Tree Physiology, 2016.
- C.A. Quesada et al.: Basin-wide variations in Amazon forest structure and function aremediated by both soils and climate. Biogeoscience, 2012.
- C.C. Cleveland & A.R. Townsend: Nutrient additions to a tropical rain forest drive substantial soil carbon dioxide losses to the atmosphere. PNAS, 2006.
Presse
- Das vergessene Universum, Faz Online, 26.01.2021.