Kategorie: Archiv

Das Regenwaldarchiv

Die neue EU-Entwaldungsverordnung

Die Europäische Kommission hat am 17. November 2021 eine Gesetzesinitiative vorgelegt, um die Abholzung tropischer Regenwälder zu reduzieren. Die sogenannte EU-Entwaldungsverordnung Nr. 2021/0366/COD ist Teil eines umfassenden Aktionsplans zur Bekämpfung der von der Europäischen Union (EU) global verursachten Entwaldung und Waldschädigung, die in tropischen und subtropischen Regionen besonders akut ist. Mit der neuen Verordnung wird die EU-Holzhandelsverordnung Nr. 995/2010 aufgehoben, die das Inverkehrbringen von illegal geschlagenem Holz auf den EU-Markt und die Vermarktung von Holz und Holzprodukten in der EU festlegt.

Die EU ist einer der größten Importeure von Rohstoffen und Waren, für deren Herstellung tropische Regenwälder zerstört werden. Tropische Regenwälder werden hauptsächlich für die Ausweitung landwirtschaftlicher Flächen zerstört, die für die Herstellung von Rohstoffen und Waren wie Palmöl, Rinder, Soja, Kaffee, Kakao, Holz und Kautschuk genutzt werden. Das heißt, für viele Produkte in europäischen Supermärkten werden tropische Regenwälder zerstört. Die EU-Entwaldungsverordnung soll sicherstellen, dass nur entwaldungsfreie und mit den Gesetzen (des Ursprungslands) im Einklang stehende Produkte auf den EU-Markt gebracht werden dürfen, das heißt, die Lieferketten müssen „entwaldungsfrei“ sein. Sie gilt für sechs Erzeugnisse – Soja, Rindfleisch, Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee (nicht jedoch Kautschuk) – sowie bestimmte daraus hergestellte Produkte wie Leder, Schokolade und Möbel.

Neu ist: Die neue Verordnung beschränkt sich nicht auf illegale Entwaldungen, sondern zielt auf jegliche Art von Entwaldungen, seien sie legal oder illegal. Mit früheren Gesetzen, wie der EU-Holzhandelsverordnung, wurde nur versucht, gegen die illegale Entwaldung vorzugehen. Mit der Ausrichtung der neuen Verordnung auf illegale Entwaldungen, befindet sich die EU mit den USA und Großbritannien auf einer Linie, die beide strengere Gesetze erwägen.

Die Ziele der neuen Verordnung sind ehrgeizig. So soll der internationale Fußabdruck der EU auf die tropischen Regenwälder verringert und die weltweiten Treibhausgasemissionen um mindestens 32 Millionen Tonnen pro Jahr reduziert werden. Zudem würden sich die Regeln der neuen Verordnung positiv auf die Artenvielfalt und Biodiversität auswirken und nachhaltige Produktions- und Konsummuster fördern. Allerdings sind andere Ökosysteme wie Wiesen, Feuchtgebiete oder Savannen von der neuen Verordnung ausgenommen.

Die EU-Entwaldungsverordnung wird Anfang 2023 in Kraft treten, nachdem das EU-Parlament und der Rat im Dezember 2022 zugestimmt haben. Sobald die neue Verordnung in Kraft ist, haben Unternehmer und Händler 18 Monate Zeit, um die neuen Vorschriften umzusetzen. Das heißt, immer wenn die oben genannten Rohstoffe und Waren in die EU importiert werden, müssen Unternehmer und Händler eine Sorgfaltserklärung abgeben, in der bestätigt wird, dass für diese keine tropischen Regenwälder zerstört wurden.

Quellen

2021/0366(COD) – Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL on the making available on the Union market as well as export from the Union of certain commodities and products associated with deforestation and forest degradation and repealing Regulation (EU) No 995/2010.

World Resources Institute – How a New EU Regulation Can Reduce Deforestation Globally, 05.04.2022.

Europäische Kommission – Fragen und Antworten zur neuen Verordnung über entwaldungsfreie Produkte, 17.11.2021.

Jagd auf geschützte Tiere – Artenschutz aus Sicht der Regierungspartei FDP

Ende April 2022 bin ich in zahlreichen deutschen Medien auf einen Artikel aufmerksam geworden, wonach das Bundesumweltministerium (BMU) den Import von Jagdtrophäen geschützter Arten nach Deutschland weiter einschränken wolle. In Einzelfällen solle der Import von Jagdtrophäen sogar vollständig verboten werden, sofern Zweifel an der Nachhaltigkeit und Legalität der Jagd bestünden.

Jagdtrophäen geschützter Arten? Nachhaltigkeit der Jagd? Das passt für mich irgendwie nicht zusammen, weswegen ich eine kleine Recherche durchgeführt habe. Dabei bin ich auf die Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage „Einfuhr von Jagdtrophäen geschützter Arten“ (Bundestagsdrucksache 19/26760) gestoßen. Die Anfrage wurde von den Abgeordneten Steffi Lemke (heute Bundesumweltministerin), Lisa Badum, Dr. Bettina Hoffmann sowie weiterer Abgeordneter der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gestellt. Im Anhang 1 der Antwort ist die Anzahl der Einfuhren von Jagdtrophäen nach Deutschland im Zeitraum 2018 bis 2020 detailliert aufgelistet. Darunter finden sich streng geschützte Tierarten wie der Braunbär (Ursus arctos) mit 88 Einfuhren im genannten Zeitraum, der Leopard (Panthera pardus) mit 65 Einfuhren, der Afrikanische Elefant (Loxodonta africana) mit 52 Einfuhren und sogar der Eisbär (Ursus maritimus) mit 6 Einfuhren. Das bedeutet nichts anderes, als dass streng geschützte Tiere in ihren Lebensräumen weltweit zum Spaß von Jagdtouristen getötet und legal als Trophäe nach Deutschland eingeführt werden dürfen. Dabei ist gerade bei diesen Arten jedes Individuum wichtig, um den Genpool der Arten so groß und vielfältig wie möglich zu halten, wodurch ihr Fortbestand gesichert wird.

Kommentiert wurde der Vorstoß des Bundesumweltministeriums zur Einschränkung des Imports von Jagdtrophäen geschützter Arten nach Deutschland auch von der derzeitigen Regierungspartei FDP. Der jagdpolitische Sprecher der FDP, Karlheinz Busen, erklärte in der FAZ vom 30.04.2022, dass zur Trophäenjagd im Koalitionsvertrag bewusst keine Regelung getroffen worden sei. Jagd sei gelebter Natur- und Artenschutz. Jagdreisen stärken das Bewusstsein für gesunde Wildbestände in anderen Ländern und brächten zudem mehr Wohlstand. Daher sei der Vorschlag eines Verbots oder einer Einschränkung der Trophäenjagd kontraproduktiv und würde nicht umgesetzt. Laut der FDP ist Jagd auf geschützte Wildtiere also „gelebter Natur- und Artenschutz“ – das ist Quatsch. Der Internationale Jagdrat in Deutschland und der Deutsche Jagdverband springen der FDP bei oder besser umgekehrt, die FDP springt den Interessen der deutschen Jagdverbände bei. Deren Argumente, dass die Trophäenjagd mit Naturschutz oder der Unterstützung der Menschen und lokalen Gemeinschaften in den Herkunftsländern begründet werden könne, sind reine Märchen. Nachhaltig wäre beispielsweise ein sanfter Beobachtungs- oder Fototourismus, wie er bei den Berggorillas in Afrika seit langem erfolgreich praktiziert wird.

Dass eine Partei in Deutschland die Interessen ihrer Wähler vertritt, ist natürlich richtig und völlig normal. Insofern ist die Lobbyarbeit der FDP für die deutschen Jagdinteressen nicht ungewöhnlich. Was mich daran ärgert ist die heuchlerische Argumentation, die den Natur- und Artenschutz und das Wohl der Menschen in den Herkunftsländern in den Vordergrund schiebt, um weiterhin fröhlich dem Jagdtourismus frönen zu können. Mir wäre es lieber, die FDP würde sich hier klar positionieren im Sinne von, ja, wir finden es gut, dass unsere Wähler weiterhin aus Spaß geschützte Tiere töten.

Übrigens – die FDP geht in ihrem Wahlprogramm aus dem Jahr 2021 auf das Thema Artenvielfalt und Artensterben ein und zwar wie folgt:

„Artensterben verhindern – Artenschutz bei uns und weltweit: Wir Freie Demokraten wollen das Artensterben bestmöglich verhindern. Der Erhalt der Artenvielfalt ist eine Menschheitsaufgabe und eine ethische Verpflichtung. Er ist zugleich ökologisch, ökonomisch und medizinisch sinnvoll und notwendig. Unzählige wichtige Errungenschaften, zum Beispiel in der Technik und Medizin, kommen aus der Natur. Zudem sind invasive Neophyten für Ökosysteme und den Menschen eine Bedrohung, die durch die Globalisierung immer größer wird. Wir müssen unsere Ökosysteme vor dem Eindringen dieser fremden Arten effektiv schützen, um die heimische Artenvielfalt zu erhalten.“

Quellen

https://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/tiere/umweltministerium-will-jagdtrophaeen-import-einschraenken-17996311.html

https://www.hsi.org/wp-content/uploads/2021/06/HSI_Trophaenjagd-in-Zahlen_Die-Bedeutung-der-Europaischen-Union-bei-der-Trophaenjagd-im-globalen-Kontext.pdf

https://www.bmuv.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Artenschutz/hintergrundpapier_jagdtrophaen_bf.pdf

https://dserver.bundestag.de/btd/19/273/1927306.pdf

https://www.fdp.de/forderung/artensterben-verhinden-artenschutz-bei-uns-und-weltweit

Regenwälder sind nicht mehr so widerstandsfähig wie in den frühen 2000er-Jahren

Die tropischen Regenwälder Amazoniens haben einen maßgeblichen Einfluss auf das Klimasystem der Erde. Sie beherbergen eine einzigartige Artenvielfalt und fungieren in der Regel als Kohlenstoffsenke, das heißt, sie nehmen mehr Kohlendioxid (Kohlenstoffdioxid) aus der Atmosphäre auf, als dass sie abgeben. Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, müssen die tropischen Regenwälder Amazoniens eine gewisse Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber vom Menschen verursachte Klima- und Landnutzungsänderungen haben. 

Durch ihre fortschreitende Zerstörung und wegen des globalen Klimawandels verändert sich lokal das Klima am Amazonas. Trockenzeiten werden länger, es kommt häufiger zu Dürren und die lokalen Wasserkreisläufe werden gestört. Dadurch überschreiten die tropischen Regenwälder Amazoniens möglicherweise heute schon eine kritische Schwelle (Kipppunkt), von der sie von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle werden. Sprich, sie geben mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre frei, als sie aufnehmen. Und das hat negative Auswirkungen auf das globale Klima und den Klimawandel.

Wissenschaftler um Chris A. Boulton konnten feststellen, dass mehr als drei Viertel der Amazonas-Regenwälder seit den frühen 2000er Jahren an Widerstandsfähigkeit verloren haben. In Gebieten mit weniger Niederschlägen und in Regionen mit vermehrter menschlicher Aktivität geht die Widerstandsfähigkeit schneller verloren. Boulton und seine Kollegen liefern direkte empirische Beweise dafür, dass die Amazonas-Regenwälder an Widerstandsfähigkeit verlieren und ein Waldsterben am Amazonas droht, das tiefgreifende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Kohlenstoffspeicherung und den Klimawandel auf globaler Ebene hat.

Pronounced loss of Amazon rainforest resilience since the early 2000s
Chris A. Boulton, Timothy M. Lenton & Niklas Boe
Nature Climate Change, volume 12, pages 271–278 (2022)

Buchvorstellung – Reichholf / Brandstetter „Regenwälder“

Der renommierte Buchautor und Regenwaldforscher Josef H. Reichholf und der Illustrator Johann Brandstetter haben ein wunderbares Buch über die bedrohte Schönheit der tropischen Regenwälder geschrieben. Das Buch ist ein Muss für jeden Regenwaldinteressierten.

Auszug aus der Einleitung: „Der Blaue Planet trägt einen grünen Gürtel. Aus dem Weltraum betrachtet schimmert er auf, wo im Bereich des Äquators Kontinente und Inseln aus den Ozeanen ragen. Wälder sind es, tropische Regenwälder, die diese unterschiedlich breite, dunkelgrüne Binde bilden. Gebildet haben, müsste es heißen, denn der Gürtel ist schmaler und löchrig geworden. Rodungen haben ihn aufgefressen. Gebietsweise fehlt er bereits. Aus dem All wirkt dieses grüne Band wie von gigantischen Motten befallen …“

Josef H. Reichholf / Johann Brandstetter: „Regenwälder. Ihre bedrohte Schönheit und wie wir sie noch retten können
Aufbau Verlag, Berlin 2021
208 Seiten, 32 Euro

Buchkritik

„Überall summt, zirpt und zwitschert es“, Deutschlandfunk Kultur, 18.08.2021.

Tropische Kannenpflanzen – Vorsicht Rutschgefahr!

Pflanzen werden von Tieren gefressen und nicht umgekehrt. Ein wenig fremd und unheimlich mag es deswegen erscheinen, dass es einigen bizarr anmutenden Pflanzen gelungen ist, den evolutionären Spieß umzudrehen – fleischfressende Pflanzen fangen und verdauen Tiere, vorwiegend Insekten. Sie kommen in Lebensräumen vor, in denen Nährstoffe knapp aber Licht und Wasser reichlich vorhanden sind, wie zum Beispiel in Mooren, Heiden oder Sümpfen. Dabei beziehen sie die für Pflanzen lebenswichtigen Nährstoffe Stickstoff und Phosphor nicht aus dem Boden, sondern aus den verdauten Insekten. Klebrige und glitzernde Tentakel, Schnappfallen, glitschige Kannen – die Kreativität der Natur war schier grenzenlos in der Evolution der grünen Raubtiere …