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Tropische Regenwälder schützen
Veggie Day – maßvoller Fleischkonsum
Ein maßvollerer Fleischkonsum in den Ländern der Industrienationen könnte dazu beitragen, dass weniger Regenwald zerstört wird. Die Erzeugung von Fleisch ist eine Qual für die Tiere, sie ist flächenintensiv und verbraucht viele Ressourcen. Wir müssen mehr Gemüse essen statt Fleisch.
Im Jahr 2013 wurden Bündnis 90/Die Grünen im Bundestagswahlkampf regelrecht auf die mediale Schlachtbank geführt, weil sie zur Reduzierung des Fleischkonsums einen Veggietag (Veggie Day) in Kantinen gefordert hatten. Ein Tag in der Woche ohne Fleisch – das war damals tatsächlich zu viel verlangt. Erfreulicherweise hat sich seither einiges verbessert. Mit Beginn der Diskussion um den Klimawandel im Jahr 2018 hat ein Umdenken zu bewusstem und nachhaltigem Konsum stattgefunden, auch im Hinblick auf eine fleischärmere Ernährung. Viele Produkte in Supermärkten werden schon als „vegetarisch“ oder „vegan“ gekennzeichnet.
Doch so richtig Fahrt aufgenommen hat die Diskussion um die deutsche Fleischkultur erst im Jahr 2020 mit der Corona-Pandemie, als die Zahl der Corona-Infektionen in Schlachthöfen in Nordrhein-Westfalen anstieg. Die Deutschen waren gezwungen, einen Blick in die düsteren Abgründe der fleischverarbeitenden Industrie in Deutschland zu werfen. Ob sich der Fleischkonsum nach der Pandemie ändert, wird die Zukunft zeigen.
Weiterhin hoher Fleischkonsum
Trotzdem wird weiterhin zu viel Fleisch hergestellt und konsumiert. Im Jahr 2010 waren es weltweit 268 Millionen Tonnen. Die weltweite Nachfrage nach Fleisch wird bis in die Jahre 2030/2050 voraussichtlich 380/460 Millionen Tonnen erreichen.
Deutschland gilt weiterhin als der Schlachthof Europas. Das Statistische Bundesamt (Destatis) hat Zahlen veröffentlicht, wonach im Jahr 2021 in Deutschland etwa 51,8 Millionen Schweine, 3,2 Millionen Rinder, 1,2 Millionen Schafe (davon 1,1 Millionen Lämmer!), 23.400 Ziegen und 3.500 Pferde gewerblich geschlachtet wurden, dazu rund 1,59 Millionen Tonnen Geflügel.
Natürlich kann jeder jeden Tag beim Essen selbst entscheiden, ob er weiterhin der Fleischeslust fröhnt oder nicht. Der Veggie Day ist aber ein Schritt in die richtige Richtung, denn die vegetarische Ernährung bietet ausnahmslos Vorteile:
- sie erspart Millionen Tieren unsagbares Leid,
- sie spart Energie, Nahrungsmittel und Wasser,
- sie belastet das Klima deutlich weniger,
- und sie schont den Regenwald.
Doch was hat unser Fleischkonsum mit der Zerstörung der tropischen Regenwälder zu tun? Für die industrielle Viehhaltung und für den Anbau von Futtermitteln, wie zum Beispiel Soja, werden riesige Flächen tropischen Regenwalds gerodet, hauptsächlich in Amazonien. Das Umweltbundesamt schätzt, dass 71 Prozent aller landwirtschaftlichen Flächen weltweit der Herstellung von Viehfutter dienen und nur 18 Prozent der Erzeugung von Nahrungsmitteln, die direkt für den Menschen bestimmt sind. Die Umweltbelastung bei der Produktion von Fleisch übertrifft die von pflanzlichen Lebensmitteln um das bis zu 100-fache. Um ein Kilogramm Fleisch zu erzeugen werden 7 bis 16 Kilogramm Getreide benötigt. Auf der dafür notwendigen Fläche ließen sich im selben Zeitraum 200 Kilogramm Tomaten oder 160 Kilogramm Kartoffeln ernten.
Fleisch gewordene Ökobilanz
Um der großen Nachfrage nach Fleisch gerecht zu werden, muss die Fleischproduktion im industriellen Maßstab betrieben werden. Es reicht nicht aus, dass kleine Betriebe mit Weidevieh nachhaltig Fleisch produzieren. Der Burgerhersteller McDonalds produziert 75 Burger jede Sekunde, das sind im Jahr 2,36 Milliarden. Der einzige Weg, um die dafür erforderliche Fleischmenge zu produzieren, ist die Industrialisierung der Fleischproduktion in Massentierhaltung mit all ihren Nachteilen für Umwelt und Tier. Während der zwei Jahre dauernden industriellen Mast eines Rinds von 600 Kilogramm Gewicht ergibt sich folgende Ökobilanz:
- Verbrauch von 3,5 Tonnen Soja und anderem Getreide als Futtermittel (zwischen 7 und 16 Kilogramm Futtermittel pro Kilogramm Fleisch),
- Verbrauch von 600.000 Liter Wasser für den Anbau der Futtermittel,
- Verbrauch von 14.000 Litern Trinkwasser für das Tier,
- Verbrauch von 2.500 Litern Treibstoff als Energie für Landrodung, Futtermittelanbau usw.,
- Freisetzung großer Mengen Kohlenstoffdioxid, Methan und Dung.
Was für eine Verschwendung für nur 300 Kilogramm Fleisch. Fleischverzehr ist also die effektivste Form der Nahrungsmittelvernichtung, er verschwendet auch Energie und beeinträchtigt das Klima 13-mal stärker als pflanzliche Kost. In vielen Schwellen- und Entwicklungsländern ist eine „Verwestlichung“ der Ernährungsgewohnheiten zu beobachten, das heißt, Fleisch verdrängt die traditionelle Getreidekost. Wegen dieser wachsenden Nachfrage nimmt die Massentierhaltung stark zu. In der zentralchinesischen Provinz Henan wurde im Jahr 2021 der Bau des größten Schweinemastbetriebs der Welt fertiggestellt. Der chinesische Schweinezüchter Muyuan Foods wird dort 2,1 Millionen Schweine in 21 riesigen Hallen pro Jahr züchten – die Schweine werden wohl niemals das Sonnenlicht sehen.
Für diese Massentierhaltungen müssen Futtermittel angebaut werden. Damit die Futtermittel angebaut werden können, müssen Flächen bereit gestellt werden. Deswegen werden die tropischen Regenwälder gerodet, um auf den kahlen Flächen Futtermittel für die Massentierhaltung zu erzeugen. Die Folgen sind dramatisch, für die Umwelt und für die Kleinbauern, die vom Markt verdrängt werden.
Schätzungen gehen davon aus, dass im Jahr 2050 etwa neun Milliarden Menschen auf der Erde leben werden. Möglicherweise kann die Welt neun Milliarden Vegetatier ernähren, neun Milliarden Fleischesser wohl kaum. Der Journalist Siegfried Pater aus Bonn bringt es auf den Punkt: „Wenn wir in einen Hamburger beißen, dann fressen wir uns wie Termiten durch den Urwald!“ Das sollte doch ein Anreiz zur fleischärmeren Ernährung sein.
Weniger is(s)t manchmal mehr
Den weltweit größten Fleischkonsum haben die USA mit 111 Kilogramm Fleisch pro Kopf und Jahr, das sind 304 Gramm pro Tag. Australien, Neuseeland und Argentinien folgen dicht dahinter. In Deutschland lag der Pro-Kopf-Verbrauch im Jahr 2020 bei 57,5 Kilogramm Fleisch, das sind knapp 170 Gramm am Tag. Durchschnittlich isst jeder Bundesbürger im Laufe seines Lebens 1.094 Tiere, das sind 4 Kühe oder Kälber, 4 Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Truthähne, 46 Schweine und 945 Hühner. Hinzu kommen noch unzählige Fische und andere Meerestiere.
Ernährungsexperten in den Industrieländern empfehlen eine Höchstmenge an Fleisch- und Fleischprodukten von durchschnittlich 142 Gramm pro Tag. Umweltexperten von Greenpeace, aber auch zahlreiche Mediziner, empfehlen hingegen einen Fleischkonsum von maximal 300 Gramm pro Person pro Woche, das sind knapp 43 Gramm pro Tag oder 16 Kilogramm pro Jahr.
Froschschenkel
Ach, übrigens. Jährlich werden 4.600 Tonnen Froschschenkel aus Indonesien in die EU geliefert. Dafür sterben etwa 100 bis 200 Millionen Frösche – qualvoll.
Was können Verbraucher tun?
Viele Menschen sind daran interessiert, weniger Fleisch zu essen – und es werden immer mehr. Deswegen muss nicht gleich jeder zum Vegetarier werden, denn der Lebensstil ändert sich dadurch drastisch. Auch muss sich niemand schuldig fühlen, wenn er Fleisch ist. Trotzdem muss der Fleischkonsum dringend neu justiert werden. Folgendes kann helfen:
- weniger Fleisch essen, sei es durch kleinere Portionen oder weniger häufig;
- wenn es möglich ist, Fleisch aus Weidehaltung kaufen;
- weniger Rindfleisch essen, denn durch die Abgabe großer Mengen des Treibhausgases Methan haben Rinder (gefolgt von Schafen) von allen Nutztierarten den größten Einfluss auf das Klima – Hühnchen schneidet hier besser ab;
- Fleisch von Nutztieren aus der Region wählen;
- weniger Lebensmittel verschwenden (jeder Verbraucher und jede Verbraucherin in Deutschland wirft etwa 75 Kilogramm Lebensmittel im Jahr weg, das heißt, pro Jahr landen in Deutschland 12 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll).
www-Tipps
- Statistisches Bundesamt (Destatis): Tiere und tierische Erzeugung.
- Dr. Friederike Schmitz befasst sich mit der Ethik und Politik der Mensch-Tier-Beziehung.
- Die Zukunft im Blick: Fleisch der Zukunft, Umweltbundesamt, 2020.
- Fleischatlas – Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel. Heinrich-Böll-Stiftung, 2018.
- Lebensmittelabfälle in Deutschland: Neue Studie über Höhe der Lebensmittelabfälle nach Sektoren. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, 2015.
- Livestock’s Long Shadow. FAO, 2006.
Buch-Tipp
- Dr. Friederike Schmitz: „Anders satt“. Ventil Verlag, Oktober 2022.
- Jonathan Safran Foer: „Tiere essen“. Kiepenheuer & Witsch, Köln, 2010.
Forschung
- F. Funke et al.: Is Meat Too Cheap? Towards Optimal Meat Taxation. SSRN, 2021.
- M.B. Yitbarek: Livestock and livestock product trends by 2050: Review. International Journal of Animal Research, 2019.
- M. Clark & D. Tilman: Comparative analysis of environmental impacts of agricultural production systems, agricultural input efficiency, and food choice. Environmental Research Letters, 2017.
- M.A. Binnie et al.: Red meats: Time for a paradigm shift in dietary advice. Meat Science, 2014.
Presse
- Wer hat das Menschenrecht auf dreimal täglich Fleisch ausgerufen? FAZ Online, 08.08.2019.
- Veggie Day – der Allesfresser, der anders kann, Süddeutsche Online, 09.08.2013.
- Vegetarier sind die besseren Umweltschützer, Zeit Online, 06.08.2013.
- Die Vogel-Strauß-Taktik deutscher Verbraucher, Focus Online, 10.01.2013
- Vegetarismus: Warum der Mensch auch fleischlos kann, Spiegel Online, 09.12.2012.
- Verringerter Fleischkonsum hilft der Umwelt, Welt Online, 13.11.2012.
- Veganer Supermarkt: So gut und teuer ist die Rettung der Welt, Welt online, 02.12.2011.
- Frosch als Fast Food, Focus Online, 09.05.2011.
- Teufelsbraten – Schweinereien hinter dem Schnitzel, Welt Online, 15.08.2010.
- Bis aufs Blut, Süddeutsche Online, 14.08.2010.
- Ein US-Autor verdirbt uns den Appetit auf Fleisch, Welt Online, 13.08.2010.
- Weniger Fleisch – weniger Treibhausgase, Süddeutsche Online, 28.06.2010.
- Weiblich, jung, fleischlos, Süddeutsche Zeitung Online, 13.03.2010.
- Wie deutsches Billigfleisch dem Regenwald schadet, Spiegel Online, 06.05.2008.