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Allgemeines über tropische Regenwälder
Stockwerkbau – Schichtung tropischer Regenwälder
In den lichtdurchfluteten Baumkronen der tropischen Regenwälder tobt das Leben. Die Baumkronen der Urwaldriesen sind von oben nach unten in Schichten wie die Stockwerke eines Hauses angeordnet. Daher der Begriff Stockwerkbau. In jedem Stockwerk herrscht ein anderes Klima. Auch die Bewohner unterscheiden sich von Stockwerk zu Stockwerk.
Der bekannte Tropenforscher Paul W. Richards entwickelte die These, dass die Baumkronen tropischer Regenwälder vertikal, also von oben nach unten, in Schichten angeordnet seien, vergleichbar mit den Stockwerken eines Hauses – Stockwerkbau. Insgesamt unterschied er fünf Schichten a, b, c, d und e beginnend mit den aus dem Kronendach herausragenden Baumriesen (Überständer, Übersteher), über Bäume jeglicher Größe, Sträucher (Strauchschicht) bis zu den niedrigen krautigen Pflanzen auf dem Waldboden. Dabei sollte nicht vergessen werden, dass nicht nur Bäume einen tropischen Regenwald bilden, sondern auch die vielen verschiedenen Pflanzen- und Tierarten, die im Boden, im Unterholz und im Kronendach leben.
a – herausragende Urwaldriesen
Überragt wird das Kronendach von Überständern, die wie Inseln aus dem grünen Meer herausragen. Die Bäume erreichen Höhen von 60 Metern oder mehr, in Ausnahmefällen werden Überständer auch einmal 75 Meter hoch. Dieses Stockwerk ist das Dachgeschoss. Die Sonne brennt gnadenlos auf die Blätter, die oft mit einer Wachsschicht überzogen sind um nicht so viel Wasser über die sehr große Blattoberfläche zu verlieren (Verdunstung).
Hier oben herrscht annähernd ein Klima wie in der Wüste, es ist relativ trocken und heiß mit Temperaturen von bis zu 35°C. Das Mikroklima dieser Schicht schwankt häufig von Zeit zu Zeit in Abhängigkeit von Temperatur und Wind. Unzählige Tiere leben im Dachgeschoss, zu den bekanntesten zählen sicherlich Affen, Tukane, Papageien (Aras) oder der größte Raubvogel der Erde, die Harpyie. Viele Aufsitzerpflanzen wie zum Beispiel Orchideen und Bromelien besiedeln zahlreich dieses Stockwerk.
b – obere Schicht, geschlossenes Kronendach
Im gezeigten Beispiel eines tropischen Tieflandregenwalds wird das geschlossene Kronendach (Baldachin), größtenteils aus den Kronen von Bäumen der oberen Schicht gebildet. Es ist die Hauptschicht, die dick und dicht ist wie ein Regenschirm. In einem Haus entspräche dieses Stockwerk dem hellen Obergeschoss. Bäume dieser Schicht sind etwa 20 bis 40 Meter hoch, und sie beherbergen eine enorme Tier- und Pflanzenvielfalt.
Auch hier brennt die Sonne vom Himmel, die klimatischen Bedingungen sind ähnlich wie im Dachgeschoss, die Temperaturen erreichen 30°C bis 35°C. Aufsitzerpflanzen wie Orchideen, Moose, Farne und Flechten sind ein gemeinsames Merkmal dieser Schicht, die auf Baumstämmen und Ästen wachsen. Das geschlossene Kronendach ist ein idealer Lebensraum für eine Vielzahl von Tierarten wie Vögel, Säugetiere wie das Faultier, Reptilien, Amphibien und eine Vielfalt von Insektenarten. Das Kronendach ist schwer zugänglich und deshalb noch wenig wissenschaftlich erforscht.
c – mittlere Schicht aus einzelnen Bäumen
In diesem Stockwerk wird es schon dunkler, denn das darüberliegende Kronendach fängt viel des einfallenden Sonnenlichts auf. Die Temperaturen sind mit 25°C bis 30 °C dementsprechend niedriger. Hier finden sich einzelne Bäume, die auf dem Weg sind in das Kronendach vordringen, wo es heller ist. Die Zahl der Aufsitzerpflanzen in diesem Stockwerk nimmt ab. Sicherlich finden sich in diesem Stockwerk noch kleinere Raubkatzen wie der Ozelot. Auch Orang-Utans fühlen sich in diesem Stockwerk wohl, wo sie sich bewegen gern in Höhen von 10 bis 20 Metern über dem Urwaldboden bewegen.
Unten: Ein Orang-Utan im Kronendach auf Borneo, Indonesien.
d – Strauchschicht
Wenn es im tropischen Regenwald zu regnen beginnt, erreichen die Regentropfen erst mit einiger Verzögerung den Waldboden, so dicht ist das Blätterdach. Dadurch wird es dunkel in den unteren Schichten des Regenwalds und am Boden. Die Temperaturen bewegen sich um 25°C.
Bevor das Wasser auf den Boden fällt, passiert es noch die Strauchschicht (Unterholz), die allerdings nicht sehr dicht bewachsen ist. In einem intakten Regenwald kann man sich weitgehend frei bewegen, ohne ständig mit der Machte den Weg freischlagen zu müssen. Diese Schicht ist reich an Insekten wie Bienen, Stabheuschrecken, Ameisen, Käfern und Schmetterlingen, die als Nahrungsquelle für eine Vielzahl von Vögeln und Reptilien dienen. Weitere Tierarten sind Fledermäuse, Affen, Schlangen, Eidechsen, Jaguare und Frösche.
Wissenschaftliche Diskussion
Der Stockwerkbau, also die vertikale Einteilung tropischer Wälder in Schichten (Stockwerke), ist in der Wissenschaft sehr umstritten. Es wird viel darüber diskutiert, ob sich solch komplexe Systeme derart vereinfachen lassen. Trotzdem soll hier am Stockwerkbau festgehalten werden.
e – Krautschicht und Urwaldboden
Buchstäblich ein Schattendasein führen Pflanzen der Kraut- und Bodenschicht, denn lediglich etwa ein Prozent des Sonnenlichts erreicht den Waldboden, das Erdgeschoss. Wo die Sonne nicht auf den Urwaldboden trifft, herrschen angenehme Temperaturen von 20°C bis 25°C. Hier ist es dunkel und windstill, nur wenige Arten wie Begonien, Philodendron und Usambaraveilchen können mit so wenig Licht auskommen. Auf dem Urwaldboden beginnt das Leben von Lianen, die sich auf dem Weg zum Licht in die oberen Stockwerke vorkämpfen.
Elefanten, Gorillas, Jaguare, Gürteltiere, Tapire, Pekaris, Agutis, Schlangen und viele Laufvögel sind bekannte tierische Vertreter des Erdgeschosses. Sehr auffällige Bewohner des Urwaldbodens sind Blattschneiderameisen, die allerdings für die Arbeit bis in die Baumkronen vordringen. Um die Riesenvogelspinne auf dem Urwaldboden zu entdecken, muss man wiederum schon genauer hinsehen.
Forschung
- F. Taubert et al.: The structure of tropical forests and sphere packings. PNAS, 2015.
Presse
- Kribbeln, krabbeln, kooperieren, FAZ Online, 10.06.2019.