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Tierwelt tropischer Regenwälder
Orang-Utans – die roten Waldmenschen
Orang-Utans leben in den tropischen Regenwäldern Südost-Asiens. Von allen Menschenaffen sind die Orang-Utans stammesgeschichtlich am weitesten vom Menschen entfernt. Weil ihr Lebensraum zerstört wird, sind alle drei Orang-Utan-Arten vom Aussterben bedroht.
Unter den Menschenaffen sind Orang-Utans die einzig wirklichen Baumbewohner. Obwohl sie sich auch auf dem Boden fortbewegen können, verbringen sie ihre Zeit lieber kletternd in den Urwaldbäumen. Ihre Heimat sind tropische Regenwälder, Sumpfwälder und Bergregenwälder in Südost-Asien. Der Begriff Orang-Utan stammt aus dem Malaiischen und ist zusammengesetzt aus orang für Person (Mensch) und hutan für Wald – Waldmensch.


Verbreitung und Systematik
Derzeit sind sieben Arten von Menschenaffen bekannt: Sumatra-, Borneo- und Tapanuli-Orang-Utans, Östliche und Westliche Gorillas sowie Schimpansen und Bonobos. Orang-Utans werden in der Gattung Pongo zusammengefasst. Sie sind die einzigen Menschenaffen im asiatischen Raum und kommen nur auf den Inseln Sumatra und Borneo vor. Entwicklungsgeschichtlich (phylogenetisch) sind Orang-Utans von allen Menschenaffen am weitesten vom Menschen entfernt.
Viele Jahre wurden Orang-Utans in einer Art mit den zwei Unterarten Sumatra-Orang-Utan (Pongo abelii) und Borneo-Orang-Utan (Pongo pygmaeus) zusammengefasst. Zahlreiche Wissenschaftler betrachten Sumatra- und Borneo-Orang-Utans heute als zwei verschiedene Arten und nicht nur als Unterarten.
Im Jahr 2017 wurde mit dem Tapanuli-Orang-Utan (Pongo tapanuliensis) eine dritte Art beschrieben, die mit nur 800 Individuen in der indonesischen Region Batang Toru auf Sumatra vorkommt und extrem vom Aussterben bedroht ist. Seit Dezember 2017 erkennt die Weltnaturschutzunion (IUCN) alle drei Orang-Utan-Arten als eigenständige Arten an. Aktuell wird die Zahl der Orang-Utans von der IUCN auf 150.000 geschätzt. Ihre Zahl ist in den Jahren 2000 bis 2020 um 40% zurückgegangen.

Aussehen, Größe, Gewicht und Alter
Orang-Utans werden etwa 1,25 bis 1,5 Meter groß, wobei die männlichen Tiere mit 75 bis 100 kg deutlich schwerer sind als die weiblichen Tiere mit 40 bis 50 kg. In Gefangenschaft können sie viel größer und erheblich schwerer werden. Ein Männchen im Zoo von Detroit wurde 188 kg schwer. In freier Wildbahn können die Menschenaffen bis zu 40 Jahre alt werden, in Gefangenschaft bis zu 50 Jahre.
Das Fell der Orang-Utans ist rötlich, dunkel- oder hellbraun, sehr langhaarig und dicht, vor allem an Schultern und Armen. Die Gesichter von Orang-Utans sind länglich ohne ausgeprägte Überaugenwülste und mit hoher Stirn, weswegen die obere Gesichtshälfte sehr menschlich wirkt. Beide Geschlechter haben einen Bart, wobei die männlichen Tiere zusätzlich einen Schnurrbart ausbilden. An den Kopfseiten der meisten Männchen entwickeln sich nach der Geschlechtsreife die typischen Backenwülste, bei denen es sich um Hautfalten aus festem Bindegewebe handelt. Wie Menschen auch, haben Orang-Utans 32 Zähne.
Der Kehlsack
Der Kehlsack von männlichen Orang-Utans kann mehrere Liter Luft aufnehmen. Er entspricht den „Morgagnischen Taschen“ beim Menschen, das sind taschenförmige Räume im Bereich der Stimmlippen, die den Klang der Stimme beeinflussen.
Beim Klettern tragen die Arme der Orang-Utans die Hauptlast des Körpers. Die Arme sind deswegen länger und stärker als bei anderen Menschenaffen. Ausgestreckt erreichen die Arme eine Spannweite von bis zu 2,25 Metern, womit die Tiere mühelos 200 kg heben können. Bis auf den Daumen sind auch die Finger der Orang-Utans länger als bei Schimpansen und Gorillas. Ihre Fingerknochen sind nach innen gebogen und mit fleischigen Kissen gepolstert, die ihren Griff verbessern und es ihnen ermöglichen, ihr Körpergewicht zu halten. Die Füße sehen aus wie Hände mit einem großen Zeh, der wie ein Daumen ausgebildet ist. Die länglichen Hände und Füße sind perfekt für die Bewegung in den Urwaldbäumen geeignet.


Ernährung
Orang-Utans brauchen eine sehr vielseitige Kost. Hauptsächlich essen sie Früchte der verschiedenen Art. Feigen, Mangos, Litschis, Jackfrüchte und die stark riechenden Früchte des Durianbaums sind einige Beispiele für Früchte, die Orang-Utans am liebsten verspeisen. Daneben stehen auf dem Speiseplan Blätter, Knospen, junge Triebe, Wurzeln, Blüten, Pilze, Honig, Insekten, Spinnennetze, mineralstoffreiche Erde, Raupen, Vogeleier und kleine auf Bäumen lebende Wirbeltiere (wie zum Beispiel Eidechsen oder Geckos). Oft schälen sie auch Baumrinde ab, die sie kauen und anschließend wieder ausspucken. Es wird angenommen, dass Orang-Utans wenigstens 1.000 Pflanzenarten kennen und dieses Wissen an ihren Nachwuchs weitergeben. So vermeiden sie den Verzehr von giftigen Pflanzen.
Orang-Utans nutzen Pflanzen nicht nur als Nahrung sondern auch als Medizin und Regenwald-Apotheke. Auf Borneo nutzen sie die Blätter des Drachenbaums Dracaena cantleyi um Muskel- und Gelenkschmerzen zu lindern. Weibliche Orang-Utans kauen die Blätter um eine grüne Paste zu erzeugen, die sie dann zur Schmerzlinderung auf ihren Körper auftragen. Die Schmerzen entstehen durch die klammernden Jungen während der Stillzeit.
Der Weg nach Europa
Der Niederländer Nicholas Tulp hat die Bezeichnung „Orang-Utan“ erstmals im Jahr 1641 verwendet. Allerdings für einen Schimpansen. Im Jahr 1712 erreichte der englische Kapitän Daniel Beeckman den Süden Borneos und erwähnte die Orang-Utans in einem Reisebericht. Der erste Orang-Utan, ein Weibchen, gelangte im Jahr 1776 nach Europa in einen Privatzoo. In Gefangenschaft starben später viele nach Europa verschiffte Orang-Utans durch Übertragung menschlicher Krankheiten, wie zum Beispiel Tuberkulose. Die erste Zucht von Orang-Utans gelang im Jahr 1928 in Berlin, Nürnberg und Philadelphia.
Lebensweise
Auf der Suche nach Nahrung sind Orang-Utans ständig auf Wanderschaft. Sie bewegen sich gern in Höhen von 10 bis 20 Metern über dem Urwaldboden. Aber auch die Fortbewegung auf dem Urwaldboden ist nicht ungewöhnlich, insbesondere in vom Menschen gestörten Waldregionen. Orang-Utans gelten eher als einsam, ruhig und ausgeglichen. Bei der Nahrungssuche nutzen die intelligenten Tiere auch Werkzeuge. Beispielsweise sind die Früchte des Neesia-Baums schwer zu knacken. Das Innere der Frucht ist mit Kristallen aus Kalziumoxalat ausgekleidet, das starken Juckreiz verursacht. Die Orang-Utans verwenden deshalb dünne Stäbchen, um an die proteinreichen Samen zu gelangen ohne Juckreiz an den Fingern zu bekommen.
Tagsüber sind Orang-Utans mit der Nahrungssuche und mit essen beschäftigt. Dabei legen sie alle paar Stunden ein Nickerchen ein, wofür sie behelfsmäßig ein Nest aus Ästen und Blättern in den Baumkronen errichten. Bei heftigen Regenfällen kauern sich Orang-Utans in vorgebeuter Haltung zusammen, wodurch die Regentropfen über Hals und Rücken ablaufen. Für gewöhnlich sitzen sie dabei dicht am Hauptstamm unter dem schützenden Blätterdach.
Der Tag der Orang-Utans endet am frühen Abend. Dann beginnt der Nestbau für die bevorstehende Nacht. Die Auswahl der Nistplätze ist nicht zufällig, und bestimmte Baumarten werden anderen vorgezogen. Orang-Utans vermeiden den Bau von Nachtnestern in Bäumen, die Früchte tragen. Dadurch vermeiden sie Störungen und Gefahren durch andere Tiere, die von den Früchten dieser Bäume angezogen werden. Nachdem der Standort für das Nest ausgewählt wurde, biegt und bricht der Orang-Utan die Zweige nach innen in Richtung eines zentralen Punkts, um sie in der Neststruktur zu fixieren. Über dieser Grundstruktur werden dann Schichten in Form kleinerer Äste hinzugefügt, die gebogen, gebrochen und gewebt sind und eine „Matratze“ oder einen „Rand“ bilden. Bei Bedarf werden zusätzliche Funktionen wie ein Dach, ein „Kissen“ oder eine „Decke“ konstruiert und hinzugefügt. Ein Nest wird in der Regel nur für eine Nacht genutzt.


Das Revier eines dominanten männlichen Orang-Utans mit mehr oder weniger ausgeprägten Backenwülsten (Backenwulstmännchen) umfasst normalerweise eine Fläche von bis zu 10 Quadratkilometern (km2), bei weiblichen Orang-Utans sind es 5 km2. Die Größe des Reviers hängt von der Nahrungsfülle ab. Backenwulstmännchen verteidigen ihre Nahrungsgebiete und die darin lebenden Weibchen vor vagabundierenden Männchen (ohne Backenwülste), die kein eigenes Revier haben.
Werkzeuggebrauch
Steinwerkzeuge spielen in der menschlichen Evolution eine bedeutende Rolle. Mit dem Gebrauch von Schneidewerkzeugen waren die frühzeitlichen Menschen in der Lage, Pflanzen und Tiere zu zerteilen und damit ihre Ernährung zu verbessern. Wissenschaftler konnten zeigen, dass auch Orang-Utans Steinwerkzeuge herstellen und gebrauchen können. Demnach sind sie sowohl in der Lage, scharfe Steinwerkzeuge selbst herzustellen, als auch vom Menschen gemachte scharfe Steinstücke zum Schneiden zu nutzen.
Fortpflanzung
Das Paarungsvorspiel der Orang-Utans beginnt mit einem Brummen des Männchens, das an Lautstärke beständig zunimmt. Die beiden Partner spielen ausgelassen miteinander. Die eigentliche Paarung findet in hängender Körperhaltung statt. Die Schwangerschaft dauert nicht ganz acht Monate, danach kommt ein hilfloses Orang-Utan-Baby zur Welt, das etwa ein bis eineinhalb Kilogramm schwer ist. Zwillinge sind selten. Mittels des angeborenen Klammerreflexes kann es sich schon im Fell der Mutter festhalten. Die Stillzeit dauert etwa drei bis vier Jahre. Bereits nach einem Jahr beginnt das Baby allerdings schon mit der Aufnahme von fester Nahrung.
Orang-Utans wachsen nur sehr langsam. Die Männchen werden mit 15 Jahren geschlechtsreif, die Weibchen etwas früher mit elf Jahren. Während der Stillzeit sind Orang-Utan-Mütter nicht empfängnisfähig. Das heißt, ein Orang-Utan-Weibchen kann in freier Wildbahn maximal vier bis fünf Kinder gebähren. Weil die kleinen Orang-Utans ständig Körperkontakt zur Mutter halten, ist die Kindersterblichkeit sehr gering.




Orang-Utans sind bedroht
Die tropischen Regenwälder Südost-Asiens sind Lebensraum der Orang-Utans. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann der kommerzielle Anbau von Ölpalmen (Elaeis guineensis) auf Sumatra. Wegen der steigenden Nachfrage nach Palmöl und Agrartreibstoffen wird immer mehr Regenwald zerstört und durch Ölpalmen-Plantagen ersetzt. Auch in offiziell ausgewiesenen Schutzgebieten gibt es illegale Ölpalmen-Plantagen. Die rasche Zerstörung ihres Lebensraums hat die Orang-Utans an den Rand des Aussterbens gebracht. Pro Tag werden durchschnittlich 100 Orang-Utans getötet. Alle drei Arten sind deswegen heute massiv vom Aussterben bedroht.
Doch es sind nicht nur die Ölpalmen, die den Orang-Utans zu schaffen machen. Wilderei ist eine weitere Bedrohung. Orang-Utan-Mütter werden gnadenlos gejagt und getötet, damit ihre Babies gewinnbringend verkauft werden können. In Gefangenschaft fristen sie dann ein jämmerliches Dasein, angekettet oder in engen Käfigen. Obwohl das indonesische Gesetz Nr. 5/1990 über die Erhaltung natürlicher Ressourcen und Ökosysteme die Gefangennahme, Verletzung, Tötung, den Besitz und den Handel von Orang-Utans für illegal erklärt, boomt der illegale Tierhandel. Es macht sprachlos und wütend, dass Orang-Utans in Indonesien zur Prostitution missbraucht werden. Die Perversion des Menschen scheint keine Grenzen zu kennen.
Schutzbemühungen
Viele Organisationen versuchen, den Regenwald und die Orang-Utans zu retten. Zum Beispiel werden Orang-Utans, die aus dem illegalen Handel mit Haustieren gerettet wurden, wieder in die freie Wildbahn ausgewildert. In Auffangstationen werden die traumatisierten Tiere an das Leben in freier Wildbahn vorbereitet, was mehrere Jahre dauern kann. Der niederländische Tierschützer Dr. Willie Smits hat in der Nähe von Balikpapan auf Borneo (Indonesien) karges Grasland aufgeforstet und das Projekt Samboja Lestari ins Leben gerufen. Auf dem Gelände befindet sich auch eine Rehabilitationsstation für junge Orang-Utans. Für seinen unermüdlichen Kampf für die Orang-Utans wurde Dr. Willie Smits im Jahr 2019 mit dem Bambi in der Kategorie „Unsere Erde“ ausgezeichnet.
Helmut Huber von Fans for Nature e.V. setzt sich leidenschaftlich für den Schutz der Orang-Utans auf Borneo ein. Sein Ziel ist die Förderung der Erhaltung von Wildtieren (Orang-Utans) in möglichst unverfälschten Populationen. Er arbeitet mit Dr. Willie Smits zusammen. Unterstützen Sie die Arbeit von Helmut Huber!








Download
- Blutiges Palmöl (pdf) – diese Bilder aus einer Präsentation von Dr. Willie Smits sind nichts für schwache Nerven. Aber sie zeigen die bittere Realität der roten Waldmenschen – leider.
www-Tipp
Buchtipp
- Die Denker des Dschungels – der Orang-Utan-Report. Gerd Schuster, Jay Ullal und Willie Smits, 2007, Ullmann.
Forschung
- A. Motes-Rodrigo et al.: Experimental investigation of orangutans’ lithic percussive and sharp stone tool behaviours. Plos One, 2022.
- A. Nater et al.: Morphometric, Behavioral, and Genomic Evidence for a New Orangutan Species. Current Biology, 2017.
- A. Reese: Newly discovered orangutan species is also the most endangered. Nature, 2017.
- A.B. Davies et al.: Canopy structure drives orangutan habitat selection in disturbed Bornean forests. PNAS, 2017.
- A. van Casteren et al.: Nest-building orangutans demonstrate engineering know-how to produce safe, comfortable beds. PNAS, 2012.
Presse
- So tröstet ein Orang-Utan, Süddeutsche Zeitung Magazin, 18.05.2021.