Info-Center
Tropische Regenwälder schützen
Fairer Handel – Handel, nicht Hilfe
Der faire Handel zielt darauf ab, bessere Preise für Kleinproduzenten in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern zu erzielen, was einer Art Mindestlohn im Welthandel entspricht. Über den fairen Handel soll soziale Gerechtigkeit in der Lieferkette durch anständigen Lohn und das Recht auf Organisation etabliert werden.
Um die weltweit steigende Nachfrage nach Nahrungsmitteln, Papier und Agrartreibstoffen zu decken, wird die landwirtschaftliche Produktion kontinuierlich gesteigert, was ein wesentlicher Treiber für die Zerstörung von Ökosystemen und den Verlust der biologischen Vielfalt ist. Um die Umweltschäden durch die landwirtschaftliche Produktion zu verringern, können einerseits die Erträge durch effiziente landwirtschaftliche Methoden gesteigert werden. Andererseits kann die landwirtschaftliche Produktion auf Gebiete ausgeweitet werden, die weniger anfällig sind für Umweltschäden. Zusätzlich müssen den Kleinproduzenten (Kleinbauern, Arbeiter, Handwerker, Landwirten, Plantagenbetreibern etc.) Anreize gegeben werden, dass sie umweltverträgliche und nachhaltige landwirtschaftliche Methoden nutzen. Dazu gehören sozialer Druck (Gruppenzwang), Preisprämien, Marktzugang und/oder staatlich verordnete Belohnungen.
Nachhaltigkeitsstandards
Freiwillige Nachhaltigkeitsstandards (voluntary sustainability standards, VSS) sind Programme, die aus einem System von Grundsätzen und messbaren und durchsetzbaren Kriterien bestehen, um eine umweltverträgliche und nachhaltige landwirtschaftliche Produktion zu fördern. Freiwillige Nachhaltigkeitsstandards können von einer Nichtregierungsorganisation, einer Regierung oder der betroffenen Industrie verwaltet werden. Sie können breit definiert werden und Umwelt-, Arbeits- und Sozialkriterien umfassen, die eine nachhaltige Entwicklung versprechen. Die Einhaltung der Standards kann über unabhängige Sicherungssysteme überprüft und bewertet werden. Der Kleinproduzent entscheidet freiwillig, ob er an einem VSS-Programm teilnimmt. Für die Einhaltung der freiwilligen Nachhaltigkeitsstandards erhält er zahlreiche Belohnungen, einschließlich Preisprämien für die Herstellung zertifizierter Produkte, besseren Marktzugang, eine Kultur der Nachhaltigkeit, sowie Schulung und Unterstützung bei der landwirtschaftlichen Produktion.
Nachhaltigkeitsstandards in der Finanzwelt
Der 250 Millionen Euro schwere Europäische Investmentfonds eco.business Fund knüpft die Vergabe von Krediten an die Einhaltung freiwilliger Nachhaltigkeitsstandards.
Fairer Handel
Verbraucher verbinden fairen Handel mit fairen Preisen, Löhnen und Arbeitsbedingungen in den Betrieben und Fabriken, die ein bestimmtes Produkt für den fairen Handel herstellen. Anders als bei Bio-zertifizierten Produkten, gibt es für den fairen Handel allerdings keine einheitlichen Standards und Kriterien. Folglich ist die Verwendung des Begriffs „fairer Handel“ auf einem Etikett nicht gesetzlich geschützt und kann durchaus bedeutungslos sein. Es sei denn, er wird von einem anerkannten Zertifizierungssystem unterstützt. Verantwortliche Hersteller stellen sicher, dass ihre Ansprüche an die faire Produktion im Rahmen eines seriösen Zertifizierungsprogramms von Drittanbietern unabhängig überprüft werden. Zertifizierungsstellen können nach der Qualitätsnorm ISO / IEC 17065 akkreditiert werden, um ihre Unabhängigkeit zu gewährleisten. Es gibt mehrere Programme und deswegen auch mehrere Siegel, die fair gehandelte Produkte auf dem Markt schmücken.
Das Fairtrade-Wirtschaftsmodell
1992 startete der gemeinnützige Verein TransFair e.V. seine Arbeit mit dem Ziel, benachteiligte Produzentenfamilien in Afrika, Asien und Lateinamerika zu fördern und durch den fairen Handel ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Den Verein tragen Mitgliedsorganisationen und Förderer aus den Bereichen Entwicklungsarbeit, Kirche, Umwelt, Sozialarbeit, Verbraucherschutz, Genossenschaftswesen, Politik und Bildung. TransFair handelt nicht selbst mit Waren. In Deutschland vergibt der Verein vielmehr das Fairtrade-Siegel für fair gehandelte Produkte. TransFair ist also keine Marke, sondern zeichnet Produkte mit dem Fairtrade-Siegel aus, die den Fairtrade-Kriterien und -Standards entsprechen.
Das Fairtrade-Wirtschaftsmodell zielt darauf ab, bessere Preise (Prämien) für Kleinproduzenten in wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern zu erzielen – eine Art Mindestlohn im Welthandel – und ihnen Mittel für soziale Projekte und weitere Verbesserungen in ihren Gemeinden bereitzustellen. Ziel ist es, diesen Kleinproduzenten Zugang zu den Märkten des Nordens zu erleichtern, um ihnen angemessene Preise zu garantieren. Zugleich sollen „unfaire“ Zwischenhändler und Unternehmen umgangen werden, die sie ausbeuten. Dazu müssen sich Kleinproduzenten in Fairtrade-Genossenschaften organisieren. Die Mitgliedschaft in einer Genossenschaft ist ein Fairtrade-Kriterium. Der Fokus der Genossenschaften liegt nicht nur auf fairen Preisen, sondern auch auf der Organisation eines nicht ausbeuterischen Handelssystems – soziale Gerechtigkeit in der Lieferkette durch anständigen Lohn und das Recht auf Organisation. Die Hauptkriterien für die Vergabe des Fairtrade-Siegels sind:
- Bezahlung von Fairtrade-Mindestpreis und Fairtrade-Prämie,
- Nachweis über Waren- und Geldfluss,
- Richtlinien zur Verwendung des Siegels,
- transparente Handelsbeziehungen,
- Vorfinanzierung für Produzenten,
- Organisation in demokratischen Gemeinschaften (bei Kooperativen),
- Förderung gewerkschaftlicher Organisation (auf Plantagen),
- Geregelte Arbeitsbedingungen,
- Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit,
- Diskriminierungsverbot,
- umweltschonender Anbau,
- Schutz natürlicher Ressourcen,
- Verbot gefährlicher Pestizide,
- kein Verwendung gentechnisch veränderten Saatguts,
- Förderung des Bio-Anbaus durch den Bio-Aufschlag,
Die Fairtrade-Zertifizierung ist für Kleinproduzenten mit Gebühren verbunden. Es stellt sich die Frage, inwieweit armen Kleinproduzenten die Kosten für die Teilnahme am Fairtrade-Zertifizierungssystem aufgebürdet werden können. Ob die Fairtrade-Standards und -Kriterien von den Kleinproduzenten eingehalten werden, wird von der Bonner Firma FLOCERT GmbH geprüft. FLOCERT ist die global handelnde Zertifizierungsstelle für Fairtrade, die angekündigte und unangekündigte Besuche, sogenannte Audits, bei den Kleinproduzenten durchführt. Die Ergebnisse der Audits sollten leichtverständlich und allen Mitgliedern zugänglich sein.
Der Mengenausgleich – bedeutet fair wirklich fair?
Generell geht es bei einem Mengenausgleich darum, dass konventionell hergestellte mit nachhaltig hergestellten Rohstoffen vermischt werden. Die Methode wird erfolgreich im Energiesektor, in der Holzwirtschaft und eben auch im fairen Handel angewendet. Für Produkte, die mit dem Fairtrade-Siegel ausgezeichnet sind, gibt es den Mengenausgleich seit dem Jahr 2011 für Kakao, Tee, Rohrzucker und Orangensaft. Das heißt, konventionell und fair gehandelte Rohstoffe dürfen bei der Verarbeitung, Lagerung oder während des Transports vermischt werden. Es kann also sein, dass das fair gehandelte Produkt gar keine fair gehandelten Rohstoffe enthält. Die Gründe hierfür sind produktionsbedingt. Weil Fairtrade-Produzenten oftmals nur sehr kleine Mengen produzieren, lohnt es sich für die verarbeitenden Fabriken nicht, diese kleinen Mengen separat zu verarbeiten.
Der Mengenausgleich ist zwar heftig umstritten. Trotzdem sollte dies nicht dazu führen, dass das gesamte System des fairen Handels grundsätzlich bezweifelt wird. Schließlich ist es dessen Ziel, die ordentliche Bezahlung der Produzenten zu gewährleisten, und diese ist vom Mengenausgleich unberührt. Die Situation ist ähnlich wie im Stromsektor. Wer seinen Strom über Greenpeace Energy bezieht, bekommt Strom aus einem großen Pool geliefert, in den auch Strom aus Atomkraftwerken eingespeist wird. Allerdings investiert Greenpeace die Einnahmen aus dem Stromverkauf in nachhaltige Energieprojekte.
Die Bohnen für Kaffee mit Fairtrade-Siegel müssen hingegen zu 100 Prozent von Kaffeeplantagen aus fairem Handel stammen.
Fair gehandelte Produkte
Produkte, die gemäß freiwilliger Nachhaltigkeitsstandards hergestellt wurden, sind in der Regel teurer als konventionell hergestellte Produkte. Es liegt in der Verantwortung der Verbraucher in den reichen Ländern, höhere Preise zu bezahlen, damit die Kleinproduzenten in den weniger wirtschaftlich entwickelten Ländern mit ihren Produkten genügend Geld für ihren Lebensunterhalt verdienen können. Schließlich sind für Verbraucher in den reichen Ländern die Menschenrechte sehr wichtig. Deswegen erscheint es nur logisch, dass sie das alternative Fairtrade-Handelssystem unterstützen – das ist fairer und solidarischer Handel, den sich viele Menschen in Deutschland trotz der höheren Preise leisten können.
Zu den fair gehandelten Produkten gehören Kaffee, Kakao und Schokolade, Tee, Bananen, Zucker, Fruchtsäfte, Honig, Gewürze, Nüsse, Pflanzenöle, Wein, Reis, Sportbälle, Holzkohle, Blumen (fairfleurs), Handwerkskunst und Textilien, die aus fair gehandelter Baumwolle hergestellt werden. Auch Gold kann von zertifizierten Bergbau-Genossenschaften unter den Fairtrade-Kriterien als Fairtrade-Gold gefördert werden.
Das Forum Fairer Handel veröffentlicht jährlich einen Bericht zu aktuellen Entwicklungen im fairen Handel. Demnach wurden im Jahr 2019 in Deutschland 1,85 Milliarden Euro mit Produkten aus fairem Handel umgesetzt. Den größten Anteil daran hatte Kaffee mit 32,5 %, gefolgt von Südfrüchten mit 12,5 %, Textilien mit 10,6 % und Blumen mit 9,0 %. Insgesamt wurden 26.185 Tonnen Kaffee fair gehandelt. Im Vergleich zu konventionell gehandeltem Kaffee liegt der Marktanteil von fair gehandeltem Kaffee damit bei 6,7 %. Bei Bananen liegt der Marktanteil fair gehandelter Bananen mit 20 % deutlich höher verglichen mit konventionell gehandelten Bananen. Im Jahr 2019 wurden in Deutschland 132.945 Tonnen Bananen fair gehandelt.
Kritik am fairen Handel
Kaffee ist mengenmäßig das größte Produkt im Fairtrade-Sortiment. Obwohl einige der ärmsten Länder der Welt Kaffee produzieren, wird der überwiegende Teil dieser Produktion von den Menschen der reichsten Länder der Welt konsumiert. Hinter Erdöl ist Kaffee das zweitwichtigste Exportprodukt der ärmsten Länder. In Honduras, Äthiopien und Guatemala machen Erlöse aus dem Kaffeeexport in einigen Fällen mehr als 50 % der Deviseneinnahmen aus. Im Jahr 2018 wurden weltweit 7.484.769 Tonnen rohe Kaffeebohnen gehandelt. Deutschland hatte an den Rohkaffeeimporten einen Anteil von 15 %. Nur die USA als das größte Konsumland für Rohkaffee haben mit 20 % noch mehr importiert. Die meisten rohen Kaffeebohnen kommen aus Brasilien.
Welche Auswirkungen die Fairtrade-Zertifizierung auf Kaffee-Produzenten und Haushalte hat, wurde in Costa Rica untersucht. Demnach sorgt die Fairtrade-Zertifizierung für einen höheren Verkaufspreis und höhrere Einnahmen. Die Effekte sind größer, wenn die globalen Kaffeepreise niedriger sind und der garantierte Fairtrade-Mindestpreis verbindlich ist. Davon profitieren dann zwar die Farmbesitzer, was daran liegt, dass Zwischenhändler, bedingt durch die Fairtrade-Zertifizierung, weniger Geld erhalten. Bedauerlicherweise profitiert aber die am stärksten benachteiligte Gruppe im Kaffeesektor, die der ungelernten Landarbeiter, nicht von der Fairtrade-Zertifizierung.
Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die Prämien, die von den Verbrauchern in den reichen Ländern für jedes Pfund Kaffee bezahlt werden, von den Fairtrade-Genossenschaft einbehalten und nicht direkt an die Landwirte weitergegeben werden. Stattdessen stimmen die Landwirte darüber ab, wie die Prämien für die kollektive Nutzung ausgegeben werden soll. Sie können beschließen, damit die technische Ausrüstung einer Genossenschaft zu verbessern oder einen Nutzen für die Gemeinschaft zu erzielen, beispielsweise Medizin- oder Bildungseinrichtungen. Aufzeichnungen von Fairtrade-Genossenschaften haben allerdings gezeigt, dass die für Fairtrade-Kaffee gezahlten Prämien häufig nicht für Schulen oder den ökologischen Landbau verwendet werden, sondern um die Büros von Genossenschaften schöner einzurichten oder zusätzliches Büropersonal zu bezahlen. Ob das im Sinne von Verbrauchern ist, die Fairtrade-Kaffee kaufen, mag bezweifelt werden.
Was können Verbraucher tun?
Verbraucher können trotz Siegel nicht sicher sein, dass ein Produkt tatsächlich den Kriterien des fairen Handels entsprechend hergestellt wurde. Das erschwert die ethische Kaufentscheidung. Folgender Ansatz scheint vernünftig:
- Natürlich wird auch im fairen Handel Schindluder getrieben. Trotzdem ist der faire Handel ein Schritt in die richtige Richtung und sollte durch den Kauf fair gehandelter Produkte unterstützt werden.
- Auf der Verpackung von Fairtrade-Produkten ist in der Zutatenliste aufgeführt, ob für Kakao, Tee, Rohrzucker und Saft ein Mengenausgleich durchgeführt wurde. Wer nur fair gehandelte Rohstoffe in seinem Fairtrade-Produkt haben möchte, sollte deswegen auf die Kennzeichnung „mit Mengenausgleich“ achten und gegebenenfalls ein anderes fair gehandeltes Produkt auswählen. Wünschenswert wäre, dass künftig der Fairtrade-Anteil des Mengenausgleichs exakt angegeben wird.
Weniger verbreitet als das Fairtrade-Siegel, aber alternativ zu empfehlen, sind die Siegel von GEPA fair+, Naturland fair, Rapunzel Hand in Hand und Rainforest Alliance.
www-Tipps
- Forum Fairer Handel – die Stimme des fairen Handels.
- Siegelklarheit unterstützt beim nachhaltigen Einkauf.
- Schokolade – Das bittere Geschäft. ZDFinfo Doku, 2020.
- Wie fair ist FairTrade-Schokolade wirklich? Der Schokoladen-Jäger, 2017.
- Süße Früchte, bittere Wahrheit. Oxfam Deutschland e.V., 2016.
Forschung
- R. Dragusanu & N. Nunn: The Effects of Fair Trade Certification: Evidence From Coffee Producers in Costa Rica. Harvard University, 2020.
- E.M. Meemken & M.F. Bellemare: Smallholder farmers and contract farming in developing countries. PNAS, 2020.
- W.K. Smith et al.: Voluntary sustainability standards could significantly reduce detrimental impacts of global agriculture. PNAS, 2019.
Presse
- „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, taz, 18.02.2022.
- Verbraucher geben mehr Geld für fair gehandelte Waren aus, Spiegel Online, 07.05.2020.
- Gutes Gewissen im Angebot, FAZ Online, 05.12.2016.
- Wenn Kaffee bitter schmeckt, Zeit Online, 18.08.2014.
- Wie elitär ist fairer Handel?, Zeit Online, 23.05.2014.
- Das Smartphone des reinen Gewissens, Spiegel Online, 13.01.2013.
- Deutsche kaufen mehr Produkte aus „fairem Handel“, Hamburger Abendblatt Online, 13.08.2010.
- Revolution im Kopf, Süddeutsche Zeitung Online, 05.04.2009.
- TransFair Produkte sind immer mehr gefragt, Welt Online, 30.03.2007.