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Mission „Biomass“ — die Vermessung der tropischen Regenwälder

Die ESA-Mission Biomass nutzt eine neuartige Messtechnik, um völlig neue Informationen über die Waldhöhe und die oberirdische Waldbiomasse aus dem Weltraum zu liefern.

Die Europäische Weltraumorganisation (European Space Agency, kurz ESA) hat den Satelliten Biomass erfolgreich ins All befördert. Der Start erfolgte am 29. April 2025 vom europäischen Weltraumbahnhof in Kourou, Französisch-Guayana. Der 1,25 Tonnen schwere Satellit wurde mit einer Trägerrakete vom Typ Vega-C in knapp 670 Kilometer Höhe über der Erdoberfläche platziert. In dieser Höhe umrundet Biomass die Erde alle 98 Minuten.

Mit der ESA-Mission Biomass wird erforscht, wie viel Kohlenstoff in den Wäldern der Welt gespeichert ist, wie sich Wälder auf das Klima auswirken, und wie sich der Klimawandel auf die Wälder auswirkt.

Herkömmliche Satelliten, die mit optischen Sensoren bestückt sind, liefern lediglich ein Bild der Waldbedeckung der Erdoberfläche und damit von der obersten Schicht des Kronendachs, – nicht aber von der Struktur darunter. Biomass hingegen nutzt ein spezielles Radarinstrument, ein sogenanntes vollständig polarimetrisches P-Band-Radar mit synthetischer Apertur für interferometrische Bildgebung. Dank der langen Wellenlänge des P-Bands (etwa 70 Zentimeter), kann das Radarsignal nicht nur die Wolkendecke, sondern sogar die dichtesten Baumkronen durchdringen, wodurch die tatsächliche Biomasse von Bäumen abgeschätzt werden kann.

Das klingt sehr kompliziert, ist es auch. Die Technik ist vergleichbar mit einem CT-Scan in der Medizin, bei dem viele Bilder miteinander kombiniert werden, um Informationen über das Innere des Körpers oder eines Körperteils zu erhalten. Nur dass Biomass quasi einen CT-Scan der Wälder erstellt.

Grafik: ESA Biomass
© ESA: ESA/ATG medialab CC-BY-SA 3.0 IGO

Trotz aller technischen Innovation messen weltraumgestützte Instrumente die Waldbiomasse oder die Artenvielfalt nicht direkt. Selbst der modernste Satellit vermag nicht einen Mahagoni- von einem Kapokbaum zu unterscheiden. Deswegen müssen die Satellitendaten vom Waldboden aus überprüft werden. Zum Beispiel können Forstwissenschaftler und Botaniker Bäume im Wald vermessen (Baum-für-Baum-Messungen) und die so gewonnen Daten mit den Satellitendaten abgleichen. Langfristige Messungen vor Ort sind erforderlich, um Satellitendaten zu überprüfen, Genauigkeit zu gewährleisten und konsistente Aufzeichnungen im Laufe der Zeit zu halten.

Biomass – ESA’s forest mission

Biomass – ESA‘ press pack


Regenwälder sind nicht mehr so widerstandsfähig wie in den frühen 2000er-Jahren

Die tropischen Regenwälder Amazoniens haben einen maßgeblichen Einfluss auf das Klimasystem der Erde. Sie beherbergen eine einzigartige Artenvielfalt und fungieren in der Regel als Kohlenstoffsenke, das heißt, sie nehmen mehr Kohlendioxid (Kohlenstoffdioxid) aus der Atmosphäre auf, als dass sie abgeben. Um diesen Aufgaben gerecht werden zu können, müssen die tropischen Regenwälder Amazoniens eine gewisse Robustheit und Widerstandsfähigkeit gegenüber vom Menschen verursachte Klima- und Landnutzungsänderungen haben. 

Durch ihre fortschreitende Zerstörung und wegen des globalen Klimawandels verändert sich lokal das Klima am Amazonas. Trockenzeiten werden länger, es kommt häufiger zu Dürren und die lokalen Wasserkreisläufe werden gestört. Dadurch überschreiten die tropischen Regenwälder Amazoniens möglicherweise heute schon eine kritische Schwelle (Kipppunkt), von der sie von einer Kohlenstoffsenke zu einer Kohlenstoffquelle werden. Sprich, sie geben mehr Kohlendioxid in die Atmosphäre frei, als sie aufnehmen. Und das hat negative Auswirkungen auf das globale Klima und den Klimawandel.

Wissenschaftler um Chris A. Boulton konnten feststellen, dass mehr als drei Viertel der Amazonas-Regenwälder seit den frühen 2000er Jahren an Widerstandsfähigkeit verloren haben. In Gebieten mit weniger Niederschlägen und in Regionen mit vermehrter menschlicher Aktivität geht die Widerstandsfähigkeit schneller verloren. Boulton und seine Kollegen liefern direkte empirische Beweise dafür, dass die Amazonas-Regenwälder an Widerstandsfähigkeit verlieren und ein Waldsterben am Amazonas droht, das tiefgreifende Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Kohlenstoffspeicherung und den Klimawandel auf globaler Ebene hat.

Pronounced loss of Amazon rainforest resilience since the early 2000s
Chris A. Boulton, Timothy M. Lenton & Niklas Boe
Nature Climate Change, volume 12, pages 271–278 (2022)