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Ökosystem Regenwald
Wasserwelten – Wasserkreisläufe im Regenwald
Die tropischen Regenwälder in Amazonien machen ihren Regen selbst. In zwei riesigen Wasserkreisläufen werden enorme Wassermengen umgewälzt. Ohne Wasser gäbe es kein Leben, und so ist es nicht verwunderlich, dass in den tropischen Regenwäldern die Artenvielfalt explodiert ist.
Der tropische Regenwald in Amazonien macht sich seinen eigenen Regen und zwar bis zu drei Viertel. Den Rest der Niederschläge, nämlich nur ein Viertel, liefert der Atlantische Ozean. Es sind der kleine und der große Wasserkreislauf, die die tropischen Regenwälder von Amazonien mit Wasser versorgen.
Der kleine Wasserkreislauf – schwitzende Urwaldriesen
Die fast senkrecht stehende Sonne setzt in den Tropen wahrhaft gigantische Energiemengen frei, es ist feucht und warm. Die Urwaldriesen nehmen Wasser aus dem Boden über ihre Wurzeln auf und transportieren es in die luftigen Höhen der Baumkronen. Dort geben sie das Wasser über ihre Blätter ab (Evapotranspiration), das Wasser verdunstet, schließlich bilden sich Wolken, und es beginnt zu regnen. Am Boden angekommen nehmen die Bäume das Wasser über ihre Wurzeln wieder auf, der Kreislauf beginnt von neuem – der Regenwald als eine riesige Wasserpumpe. Etwa drei Viertel seines Wasserhaushalts bestreitet der Regenwald über diesen kleinen Wasserkreislauf.
Wenn es bei uns im Sommer warm ist, beginnen wir zu schwitzen. Der Schweiß kühlt unsere Haut und schützt unseren Körper vor Überhitzung. Die Urwaldriesen machen sich diesen Effekt gleichfalls zunutze, indem sie Wasser über ihre Blätter verdunsten und sich so vor Überhitzung durch die starke Sonneneinstrahlung schützen. Gewissermaßen betreiben schwitzende Urwaldriesen den kleinen Wasserkreislauf im tropischen Regenwald.
Der große Wasserkreislauf – globale Windsysteme
Die Passatwinde tragen nicht nur Nährstoffe aus der Sahara auf den südamerikanischen Kontinent, sondern auch Wasser. Der große Wasserkreislauf beginnt über dem Atlantischen Ozean. Hier verdunstet Wasser in großen Mengen, das von Passatwinden vom Atlantik in Richtung Westen nach Amazonien transportiert wird. Dort angekommen geht das Wasser als Regen über den tropischen Regenwäldern Amazoniens nieder. Im Westen Südamerikas werden die feuchten Winde von der unüberwindbaren Andenkette in Richtung Süden abgelenkt. So werden auch noch der Süden Brasiliens, Paraguay, Uruguay und der Norden Argentiniens über diese sogenannten „fliegenden Flüsse des Amazonas“ mit Wasser versorgt. Über „echte“ Flüsse wird das Wasser dann später wieder dem Ozean zugeführt, womit sich der große Wasserkreislauf schließt.
Etwa ein Viertel trägt der große Kreislauf zur Wasserbilanz in Amazonien bei. Das ist in etwa dieselbe Menge, die Amazonien über den Amazonas wieder verlässt. Das heißt, der kleine Wasserkreislauf wälzt, rein mengenmäßig betrachtet, viel größere Wassermengen um als der große Kreislauf. Allerdings hat dieser größere geographische Distanzen zu überwinden.
Bestimmung der Herkunft des Wassers
Wissenschaftler bestimmen die Herkunft des Wassers und nutzen dafür Wasserdampfisotope (water vapor isotopes). Deuterium ist ein Isotop des Wasserstoffs, das zusätzlich zum Proton ein Neutron im Atomkern enthält und deshalb schwerer ist als Wasserstoff. Verbindet sich Deuterium mit Sauerstoff, entsteht schweres Wasser. In natürlich vorkommendem Wasser sind 99,985 Prozent normales und 0,015 Prozent schweres Wasser enthalten.
Normales Wasser ist leichter als schweres Wasser, das heißt, normales Wasser verdunstet auch leichter als schweres Wasser. Deswegen enthält Wasser, das aus den Ozeanen in die Atmosphäre verdunstet, weniger schweres Wasser, sprich weniger Deuterium, als die Ozeane selbst. Dies bedeutet, dass Luftmassen, die Feuchtigkeit von den Ozeanen auf die Kontinente transportieren, weniger Deuterium enthalten.
Hingegen enthält Wasser, das von Pflanzen transpiriert wird, die gleiche Menge an Deuterium wie Wasser, das sich noch im Boden befindet. Pflanzen saugen Wasser wie ein Strohhalm aus dem Boden, unabhängig davon, welches Isotop das Wasser enthält. Daher hat aus Pflanzen austretender Wasserdampf mehr Deuterium als aus dem Ozean verdunstetes Wasser.
Mit Hilfe des Troposphären-Emissionsspektrometers (TES) auf dem Aura-Satelliten der NASA messen Wissenschaftler den unterschiedlichen Anteil von Deuterium im Wasserdampf der Atmosphäre. Von Pflanzen transpiriertes, deuteriumreiches Wasser in der Atmosphäre über dem Wald deutet auf den Wald als Feuchtigkeitsquelle im kleinen Wasserkreislauf hin. Weniger Deuterium im Wasser würde darauf hindeuten, dass die Feuchtigkeit vom Atlantik im großen Wasserkreislauf herangeführt wurde.
Störungen der Wasserkreisläufe
Die Zirkulation des Wassers im kleinen Wasserkreislauf funktioniert nur dort, wo noch genügend große und vor allem zusammenhängende Regenwaldflächen existieren. Verschwinden die tropischen Regenwälder in Amazonien großflächig, verdunstet und zirkuliert weniger Wasser im kleinen Wasserkreislauf. Es wird trockener und die Vegetation ändert sich. Aus den immergrünen Tieflandregenwäldern werden Trockenwälder oder Savannen.
Klimaforscher der Universität von Sao Paulo schätzen, dass wenn ein Viertel der tropischen Regenwälder in Amazonien zerstört worden ist, die Trockenzeiten länger werden und die Regenwälder zu Savannen werden; der Effekt ist heute schon zu beobachten.
Tropische Regenwälder und das Weltklima
Neben Kohlenstoffdioxid haben auch Wolken einen Einfluss auf das Weltklima. Wolken reflektieren Sonneneinstrahlung zurück in den Weltraum und erzeugen deswegen einen kühlenden Effekt, ähnlich wie Schnee- und Eisfelder. Eine Abnahme der Wolkenmenge könnte den Klimawandel, das heißt, die Erwärmung der Atmosphäre, beschleunigen. Über die Oberfläche des riesigen geschlossenen Kronendachs erzeugen die tropischen Regenwälder in Amazonien im kleinen Wasserkreislauf sehr viele Wolken – tropische Regenwälder als Klimaanlage der Erde.
Wo die Wälder fehlen, entstehen trockene (aride) Zonen in denen der Wasserhaushalt regional empfindlich gestört werden kann. Außerdem entstehen weniger Wolken, wodurch die Erderwärmung verstärkt werden kann.
Forschung
- C. Smith et al.: Tropical deforestation causes large reductions in observed precipitation. Nature, 2023.
- J.S. Wright et al.: Rainforest-initiated wet season onset over the southern Amazon. PNAS, 2017.
www-Tipps
- Will Deforestation and Warming Push the Amazon to a Tipping Point? Interview mit Carlos Nobre in Yale Environment 360, 04.09.2019.
- Rivers in the Sky: How Deforestation Is Affecting Global Water Cycles, Yale Environment 360, 24.07.2018.
Presse
- Der Regenwald trocknet aus, Süddeutsche Online, 03.01.2019.
- „Fliegende Flüsse“ in Brasiliens Regenwald, Focus Online, 15.10.2012.
- Wie der Wald Regen organisiert, Süddeutsche Online, 07.09.2012.
- Abholzen der Regenwälder trocknet die Tropen zusätzlich aus, Zeit Online, 06.09.2012.