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Ökosystem Regenwald
Nährstoffkreislauf – Recycling im Regenwald
Die Böden in Amazonien sind ausgelaugt und nährstoffarm. Trotzdem hat sich hier mit den tropischen Regenwäldern eines der vielfältigsten Ökosysteme der Welt entwickelt. Ermöglicht wird dies durch ein sehr effizientes Recycling-System. Brandrodung zerstört dieses System und macht eine mehrjährige Landwirtschaft auf den gerodeten Flächen unmöglich.
In Ökosystemen der gemäßigten Breiten sind Böden in der Lage Nährstoffe in Form von Humus zu speichern. Anders in den tropischen Regenwäldern Amazoniens, deren Böden ausgelaugt und nährstoffarm sind. Die Pflanzen wachsen hier auf unfruchtbaren sandigen Böden, die kaum Mineralien enthalten außer Kaolinit. Und trotzdem ist gerade hier, auf quasi unfruchtbarem Sand, das vielfältigste und komplexeste Ökosystem der Welt entstanden. Paradox? Bei genauerem Hinsehen nicht.
Amazonien
Amazonien ist das größte Tieflandbecken in Südamerika. Es wird im Norden vom Guayana-Schild, im Süden vom brasilianischen Bergland und im Westen von den Anden begrenzt. Entwässert wird Amazonien vom wasserreichsten Flusssystem der Erde mit einer Größe von sieben Millionen Quadratkilometern, dem Amazonas. Siebzehn seiner 1.100 zuführenden Flüsse sind größer als der Rhein. Das Wasser der Flüsse, die den Amazonas speisen, ist sehr sauer (Huminsäuren) und fast so rein wie destilliertes Wasser. Gelöste Nährstoffe sind kaum darin enthalten.
Arme Böden – reiche Kronen
In Amazonien bilden die tropischen Regenwälder ein riesiges, fast geschlossenes Nährstoffsystem, in dem die Nährstoffe beständig zirkulieren. Die meisten Nährstoffe sind in der pflanzlichen Biomasse der tropischen Regenwälder gespeichert, also zum Beispiel in den Blättern, Ästen und Stämmen der Urwaldriesen, in Palmen, Lianen, Moosen, Farnen und vielen mehr. Sterben diese Pflanzen ab oder fallen Teile von ihnen auf den Urwaldboden, werden sie sehr schnell zersetzt und geben ihre Nährstoffe frei. Weil die Pflanzen die Nährstoffe gleich wieder aufnehmen, mangelt es den Böden an Nährstoffen, insbesondere Phosphor.
Nährstoffe aus dem Kronendach
Zusätzliche Nährstoffe gelangen mit dem Regenwasser beim Durchtritt durch das Blätterdach auf den Urwaldboden, denn das an Ionen sehr arme Regenwasser entzieht den Bäumen über deren Blätter Nährstoffe. Man spricht bei diesem Vorgang von Osmose. Bei diesen Nährstoffen handelt es sich im Wesentlichen um die Elemente Phosphor, Kalzium, Kalium und Magnesium, die gern von Aufsitzerpflanzen (Epiphyten) in den oberen Kronenregionen sofort wieder aufgenommen werden.

Was passiert mit den Nährstoffen am Urwaldboden?
Die Nährstoffe treffen am Boden nicht auf eine dicke, speichernde Humusschicht, sondern auf eine dichtes, ja fast lückenloses Netz, bestehend aus Baumwurzeln und Pilzen (Mykorrhiza-Gemeinschaft). In einigen tropischen Regenwäldern Venezuelas kann die Mykorrhiza 15 bis 40 Zentimeter dick werden. Die Pilze verbessern den Zugang der Pflanzen zu Nährstoffen und Wasser im Boden. Sie sorgen dafür, dass die Nährstoffe (insbesondere Stickstoff und Phosphor) sofort wieder von Pflanzen aufgenommen werden und nicht einfach im Boden versickern und über die Flüsse ausgeschwemmt werden. Die Nährstoffe zirkulieren also größtenteils beständig in der Vegetation (in den Bäumen, Lianen, Epiphyten etc.) und sind nicht im Boden gespeichert. Kurz – ein sehr effizientes Recyclingsystem, in dem nur wenig verloren geht.
Doch ganz so perfekt geschlossen wie hier dargestellt ist das Nährstoffsystem in Amazonien nicht. Die starken Regenfälle waschen trotzdem eine Teil der Nährstoffe aus dem Boden aus. Dieser Verlust muss kompensiert werden. Doch wie werden die ausgewaschenen Nährstoffe ersetzt?
Tastwurzeln
Zahlreiche Baumarten in den Tropen „warten“ nicht, bis Mikroorganismen die Nährstoffe im Boden aufgearbeitet haben, sondern sie schicken tentakelartige Tastwurzeln nach oben in die dünne Humusschicht und nehmen dort Nährstoffe direkt auf.
Wüstenstaub aus der Sahara
Herantransportiert werden die fehlenden Nährstoffe größtenteils aus der Sahara. Passatwinde tragen feinste Staubpartikel von Afrika über den Atlantik nach Amazonien. Dort gehen sie mit dem Regen auf den Wald nieder. Der Regenwald wird im wahrsten Sinne des Wortes aus der Sahara heraus „gedüngt“ – und zwar großzügig. Wie funktioniert das?
Wissenschaftler haben im Jahr 2015 ermittelt, welche Staubmengen auf dem Luftweg nach Südamerika gelangen. Die Daten wurden mit dem amerikanisch-französischen Erdbeobachtungssatelliten CALIPSO (Cloud-Aerosol Lidar and Infrared Pathfinder Satellite Observation) in den Jahren zwischen 2007 und 2013 erhoben.
Demnach wirbeln Wind und Wetter im westlichen Teil der Sahara jährlich 182 Millionen Tonnen Staub auf, das meiste davon in der sogenannten Bodélé-Niederung im Norden des Tschads. Diese Region wird von Basaltbergen flankiert, die für eine Art Trichtereffekt sorgen, wodurch hohe Windgeschwindigkeiten entstehen, die den aufgewirbelten Staub in Richtung des Atlantiks und so auf den Weg nach Südamerika befördern.
132 Millionen Tonnen des Saharastaubs erreichen die Ostküste Südamerikas, der Rest geht beim Transport auf dem 2.500 Kilometer langen Weg über dem Atlantik verloren. Über dem Amazonasbecken gehen davon noch 27,7 Millionen Tonnen nieder – wertvoller Dünger für den Regenwald. Der Saharastaub aus der Bodélé-Niederung enthält viel Phosphor, der für das Pflanzenwachstum wichtig ist. Mit dem Staub aus der Sahara gelangen jährlich etwa 22.000 Tonnen Phosphor in das Amazonasbecken, was der Menge entspricht, die im selben Zeitraum über die Böden ausgewaschen wird.
Die NASA hat eine Animation aus den CALIPSO-Daten erstellt, die den transatlantischen Staubtransport sehr schön demonstriert.
Stickstoff
Stickstoff ist neben Phosphor der Nährstoff, der das Baumwachstum, die Bodenfruchtbarkeit und die Speicherung von Kohlenstoff in Wäldern weltweit am häufigsten einschränkt. Pflanzen benötigen den Stickstoff um Proteine (Eiweiß) herzustellen. Stickstoff ist zwar zu 79% in der Luft enthalten, doch in dieser Form ist er für die Pflanzen nicht verwertbar.
Damit Pflanzen den Stickstoff verwerten können, muss der Stickstoff in Nitrat umgewandelt werden. Dafür ist viel Energie notwendig, die in der Natur während eines Gewitters freigesetzt wird. Die starke elektrische Ladung von Blitzen spaltet die Stickstoffmoleküle in der Atmosphäre. Stickstoffatome lieben es, sich mit dem Sauerstoff in der Luft zu verbinden, wodurch Stickoxide entstehen, die mit dem Regenwasser in den Nährstoffkreislauf gelangen. Auch Bakterien und Mykorrhiza-Gemeinschaften mit Pilzen im Wurzelbereich der Bäume wandeln Stickstoff in eine verwertbare Form um. Manche Bäume gehen in ihren Wurzelknollen Symbiosen mit stickstoffbindenden Bakterien ein. Dadurch wird die lebensnotwendige Versorgung des Baums mit Stickstoff sichergestellt. Dieser Prozess kann so nutzbringend sein, dass mehr Stickstoff produziert wird als der Baum benötigt.
Landwirtschaft auf gerodeten Regenwaldflächen
Brandrodung wird in vielen tropischen Regionen als Treiber der Regenwaldzerstörung angesehen. Tropische Regenwälder werden durch Fällen und Verbrennen der Bäume in landwirtschaftliche Flächen umgewandelt. Viele Felder werden jedoch nach einigen Jahren wegen Ertragsrückgangs und der Invasion von Unkräutern aufgegeben. Infolgedessen werden regelmäßig neue Flächen tropischer Regenwälder gerodet – ein Teufelskreislauf.
Brandrodung verändert die physikalischen und chemischen Eigenschaften des Bodens. Die Asche der verbrannten Urwaldriesen ist stark alkalisch (basisch). Das verringert den Säuregehalt des Bodens, erhöht die Aktivität von Bodenbakterien und steigert die Nährstoffverfügbarkeit des Bodens. Das heißt, durch die Asche wird das Pflanzenwachstum der Kulturpflanzen auf den sauren tropischen Böden begünstigt.
Diese positiven Auswirkungen der Asche auf das Wachstum der Kulturpflanzen (zum Beispiel Sojabohnen) sind jedoch nur von kurzer Dauer. Weil mit der Brandrodung die Zusammensetzung der Mykorrhiza-Gemeinschaften im Boden gestört wird, können in der Folge gut lösliche Elemente wie Kalium, Kalzium oder Magnesium schnell aus dem Boden ausgewaschen werden. Dadurch wird das Wachstum der Kulturpflanzen begrenzt. Zusätzlich fehlt Stickstoff im Boden, der bei der Verbrennung in die Atmosphäre freigesetzt wurde.
Wegen der raschen Auswaschung von Nährstoffen und dem Mangel an Stickstoff ist die Aschedüngung nicht für eine Langzeitkultivierung von Kulturpflanzen geeignet. Die wiederholte mehrjährige Kultivierung führt zu einer Erschöpfung der Bodennährstoffe. Durch den massiven Einsatz von Dünger kann die Anbauzeit verlängert werden. Auf Ölpalmen- und Kautschukplantagen in Indonesien werden pro Jahr 300 bis 600 kg pro Hektar bzw. 100 bis 300 kg pro Hektar anorganischer Stickstoff-Phosphor-Kalium-Dünger eingesetzt. Weiterhin werden auf den Plantagen Kuhmist und Kalk ausgebracht, und zweimal im Jahr kommen Pflanzenschutzmittel zum Einsatz. Kalk verringert den Säuregehalt des Bodens.
Wenn Landwirtschaft auf den ausgelaugten Böden nicht mehr möglich ist, bleibt nur noch karger roter Boden übrig – aus Vielfalt wird Wüste.
Regenwälder außerhalb Amazoniens
Dass die Nährstoffe in der oberirdischen Biomasse gebunden sind, gilt für die Regenwälder in Amazonien. In anderen Regenwäldern kann es anders sein. So wachsen die mittelamerikanischen Regenwälder auf mineralstoffreichen Böden, und sie bekommen ihr Wasser größtenteils direkt vom Ozean. Es gibt keinen kurzgeschlossenen sondern einen „offenen“ Nährstoffkreislauf. Verluste an Nährstoffen wirken hier nicht so dramatisch wie in Amazonien. Weitere Beispiele dafür sind die Regenwälder an der Küste von Nordostaustralien, Ostmadagaskar und im brasilianischen Küstengebirge.

www-Tipps
- Video: NASA Satellite Reveals How Much Saharan Dust Feeds Amazon’s Plants.
- Satellite Tracks Saharan Dust To Amazon In 3-D. Goddard Media Studios, 2015.
- Chemie-Lexikon: Informationen über Kaolinit.
Forschung
- N. Brinkmann et al.: Intensive tropical land use massively shifts soil fungal communities. Scientific Reports, 2019.
- K. Fleischer et al.: Amazon forest response to CO2 fertilization dependent on plant phosphorus acquisition. Nature Geoscience, 2019.
- J.M. Gay‐des‐Combes et al.: Tropical soils degraded by slash‐and‐burn cultivation can be recultivated when amended with ashes and compost. Ecology and Evolution, 2017.
- H. Yu et al.: The fertilizing role of African dust in the Amazon rainforest: A first multiyear assessment based on data from Cloud-Aerosol Lidar and Infrared Pathfinder Satellite Observations. Geophysical Research Letters, 2015.
- R. Lovett: African dust keeps Amazon blooming. Nature, 2010.
- I. Koren et al.: The Bodélé depression: a single spot in the Sahara that provides most of the mineral dust to the Amazon forest. Environmental Research Letters, 2006.
Presse
- Video der Nasa: Saharasand düngt Amazonas-Dschungel, Spiegel Online, 26.02.2015.
- Winddüse – Saharastaub lässt Amazonas-Dschungel sprießen, Spiegel Online, 16.08.2010.
Abkürzungen
- CALIPSO – (Cloud-Aerosol Lidar and Infrared Pathfinder Satellite Observation) Erdbeobachtungssatellit.
- NASA – (National Aeronautics and Space Administrations) Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika.