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Ökosystem Regenwald
Mykorrhiza – lebenswichtige Zusammenarbeit im Regenwald
In den Böden tropischer Regenwälder arbeiten Bodenpilze und die Wurzeln von Pflanzen auf mikroskopischer Ebene eng zusammen. Sie bilden Mykorrhiza-Gemeinschaften, von der sowohl die Pflanzen als auch die Pilze einen Nutzen haben.
Bodenpilze spielen eine wichtige Rolle in den Nährstoffkreisläufen terrestrischer Ökosysteme. Auch der Nährstoffkreislauf in tropischen Regenwäldern ist eng verknüpft mit der Arbeit von Pilzen im Boden. Eine Mykorrhiza ist die Gemeinschaft aus Bodenpilzen und den Wurzeln einer Pflanze. Dabei ist die Beziehung zwischen Pilz und Pflanze in der Regel wechselseitig, das heißt, beide Seiten profitieren von der Gemeinschaft. Es handelt es sich um eine symbiotische Gemeinschaft oder kurz Symbiose. Die Pflanzen erhalten durch den Pilz besseren Zugang zu Wasser und Nährstoffen. Der Pilz wird im Gegenzug mit Zucker aus der Photosynthese der Pflanze versorgt.
Fossilienfunde deuten darauf hin, dass erste Mykorrhiza-Gemeinschaften bereits vor 450 Millionen Jahren entstanden sein könnten. Sie spielten eine bedeutende Rolle bei der Besiedelung von Land durch Pflanzen, die noch nicht sonderlich gut an das Landleben angepasst waren. Hauptsächlich waren die Böden damals für die Pflanzenwurzeln viel zu steinig (mineralisch), wodurch den Pflanzen der Zugang zu lebensnotwendigen, mineralischen Nährstoffen an Land verwehrt blieb. Dies änderte sich, als die Pflanzen Gemeinschaften mit symbiotischen Pilzen eingingen, die die bemerkenswerte Fähigkeit haben, Nährstoffe aus Mineralien herauslösen und auf ihre pflanzlichen Partner übertragen können.
Mykorrhiza
Das Wort wird abgeleitet von den griechischen Wörtern „myken“ und „rhiza“ und bedeutet in der Kombination „Pilzwurzel“. Der deutsche Biologe Albert Bernhard Frank war wahrscheinlich der erste, der im Jahr 1885 die weit verbreitete Gemeinschaft von Pflanzenwurzeln und Mykorrhizapilzen erkannte und damit den Begriff Mykorrhiza prägte.
Verbreitung von Mykorrhiza-Gemeinschaften
Mykorrhiza-Gemeinschaften kommen in 90% aller Pflanzenfamilien und bei 80% aller Pflanzenarten vor. Sie sind damit eher die Regel als die Ausnahme im Pflanzenreich. Das gilt sowohl für natürlich vorkommende Pflanzen als auch für landwirtschaftlich genutzte Kulturpflanzen. Besonders wichtig sind Mykorrhiza-Gemeinschaften bei Pflanzen mit einem Mangel an Nährstoffen im Boden, wie es bei den tropischen Regenwäldern der Fall ist. Ihre Verbreitung ist allerdings keineswegs auf tropische Regenwälder beschränkt, sondern sie kommen in einer Vielzahl von Lebensräumen vor, darunter Wüsten, Wälder der gemäßigten Breiten, in Gebirgen sowie Ackerland.
Es gibt verschiedene Typen von Mykorrhizapilzen
Unter den Pilzen gibt es zwei vorherrschende funktionelle Typen, die Mykorrhiza-Gemeinschaften mit den Wurzeln der meisten Pflanzen auf der Erde eingehen: arbuskuläre Mykorrhizapilze und Ektomykorrhizapilze. Die funktionale Einteilung beruht darauf, welche Position die Pilzhyphen in Bezug auf das Wurzelgewebe der Pflanze einnehmen.
- Arbuskuläre Mykorrhizapilze gehören zu den endotrophen Mykorrhizapilzen, deren Hyphen in die Wurzelzellen der Pflanzen eindringen (endo bedeutet innerhalb). Sie gehen Mykorrhiza-Gemeinschaften mit 74% der bekannten Pflanzenarten (hauptsächlich Gräser) ein, einschließlich vieler Kulturpflanzen wie Sojabohnen, Mais, Reis und Weizen. Der Begriff „arbuskulär“ geht zurück auf das lateinische Wort „arbusculum“ und bedeutet „Bäumchen“. Die Hyphen der arbuskulären Mykorrhizapilze sind stark verzweigt und ähneln im Aussehen einem Bäumchen. Die recht artenarme Gruppe der arbuskulären Mykorrhizapilze – es gibt etwa 150 bis 200 Arten – werden überwiegend dem Stamm der Glomeromyzeten zugeordnet. Einzelne Vertreter dieses Stamms haben sich möglicherweise bereits vor einer Milliarde Jahren auf der Erde entwickelt.
- Ektomykorrhizapilze gehören zu den ektotrophen Mykorrhizapilzen, deren Hyphen die Pflanzenwurzeln zwar in einem dicken Mantel umschließen aber nicht in die Wurzelzellen eindringen (ekto bedeutet außerhalb). Sie bilden mit den Pflanzen die fortschrittlichste Art aller Mykorrhiza-Gemeinschaften und kommen bei etwa zwei Prozent der Pflanzenarten vor. Ektomykorrhizapilze sind eine vielfältige Gruppe von Pilzen – es gibt etwa 20.000 Arten – und werden hauptsächlich dem Stamm der Basidiomyzeten (Ständerpilzen) zugeordnet. Die meisten Speisepilze, wie zum Beispiel Champignons, gehören zu den Basidiomyzeten.
Nährstoffaustausch
Mykorrhizapilze leben in der Rinde von Pflanzenwurzeln, auf der Wurzeloberfläche oder um die äußeren Zellen der Wurzel (Epidermis). Die Hyphen dieser Pilze wachsen auch von den Wurzeln weg in den Boden, wo sie nach Nährstoffen suchen, die das Pflanzenwachstum einschränken, insbesondere Stickstoff in Form von Nitraten und Phosphor in Form von Phosphaten. In einigen tropischen Regenwäldern Venezuelas kann die Mykorrhiza-Gemeinschaft im Boden 15 bis 40 Zentimeter dick werden. Die meisten Pflanzenwurzeln werden von mehreren Mykorrhizapilzen besiedelt, und die meisten Mykorrhizapilze besiedeln gleichzeitig verschiedene Pflanzen. Sie bilden sogenannte Mykorrhiza-Netzwerke.
In der Regel fördert eine Mykorrhiza-Gemeinschaft das Pflanzenwachstum, indem sie die Nährstoffaufnahme im Wurzelbereich erhöht. Dies geschieht durch:
- Vergrößerung der Oberfläche der Pflanzenwurzeln, damit Nährstoffe im Boden über eine größere Fläche aufgenommen werden können.
- Bereitstellung von Nährstoffen, von denen es im Boden mangelt, die aber für das Pflanzenwachstum wichtig sind. Mykorrhizapilze können solche Nährstoffe aus Verbindungen herstellen, die den Pflanzen über ihre Wurzeln nicht verfügbar wären.
- Ausscheiden von Verbindungen und Enzymen um Nährstoffe aus der Umgebung der Wurzel besser aufnehmen zu können.
Orchideen
Orchideensamen sind mit einer Größe von wenigen Mikrometern extrem klein. In natürlichen Ökosystemen sind die Sämlinge der meisten Orchideen vollständig von der Gemeinschaft mit Pilzen abhängig. Orchideensämlinge haben kein Chlorophyll und sind auf Nährstoffe und Kohlenstoff angewiesen, die sie von den Pilzen erhalten. Die Pilze, die mit Orchideen Mykorrhiza-Gemeinschaften eingehen, leben typischerweise im Boden und ernähren sich von totem organischem Material oder sie bilden Mykorrhiza-Gemeinschaften mit benachbarten Bäumen.
Arbuskuläre Mykorrhizapilze liefern Phosphor
In natürlichen Ökosystemen, insbesondere in solchen mit verringerter Nährstoffverfügbarkeit im Boden, liefern Mykorrhizapilze den Pflanzen erhebliche Mengen an Stickstoff und Phosphor. In den meisten Böden der tropischen Regenwälder mangelt es an Phosphor. Arbuskuläre Mykorrhizapilze können bis zu 90% des Phosphors bereitstellen, den die Pflanzen für das Wachstum brauchen. So wundert es nicht, dass arbuskuläre Mykorrhizapilze an Bodenstandorten mit mineralgebundenem Phosphor häufiger vorkommen. Hingegen ist ihr Beitrag zur Versorgung der Pflanzen mit Stickstoff weniger ausgeprägt, oft vernachlässigbar und hängt von Faktoren wie Bodenwassergehalt, pH-Wert im Boden und vom Bodentyp ab.
Ektomykorrhizapilze liefern Stickstoff
Neben Phosphor mangelt es vielen Böden in natürlichen Ökosystemen an Stickstoff. Häufig werden solche Ökosysteme von Mykorrhiza-Gemeinschaften mit der Beteiligung von Ektomykorrhizapilzen dominiert. Diese können sowohl Phosphor als auch Stickstoff in großen Mengen aus dem Boden aufnehmen und den Pflanzen zur Verfügung stellen. Viele Ektomykorrhizapilze können beispielsweise Aminosäuren wie Glutamin und Alanin aufnehmen und den daraus gewonnenen Stickstoff an die Pflanzen weitergeben. Bis zu 80% des für das Pflanzenwachstum notwendigen Stickstoffs und Phosphors können die Pflanzen über diesen Weg von den Pilzen beziehen. Obwohl Ektomykorrhizapilze durch die Zersetzung organischer Stoffe auf Phosphor zugreifen können, sind sie jedoch besser geeignet für die Versorgung von Pflanzen mit Stickstoff. Anders als bei den arbuskulären Mykorrhizapilzen hängt ihr Standort nicht vom Phosphor-Gehalt des Bodens ab.
Weitere Vorteile für die Pflanze
Mykorrhiza-Gemeinschaften haben noch weitere vorteilhafte Wirkungen, insbesondere für die beteiligten Pflanzen. Mineralische Nährstoffe wie Kalium, Kalzium, Kupfer, Zink und Eisen werden von Pflanzen, die in einer Mykorrhiza-Gemeinschaft leben, ebenfalls schneller und in größeren Mengen aufgenommen. Der Pilzmantel um die Wurzeln kann die Pflanzen in Böden mit hoher Schwermetallkonzentration schützen. Die Pilze sammeln Schwermetalle wie Zink, Cadmium und Arsen und lagern sie ein. Auf diese Weise können die Metalle das Pflanzengewebe nicht erreichen, und die Pflanze bleibt unbeschädigt.
Weiterhin haben Mykorrhizapilze einen großen Einfluss auf die Bildung von Keimlingen, die Streuzersetzung, die Bodenbildung und -anhäufung. Darüber hinaus können Mykorrhizapilze Resistenz gegen Trockenheit, Krankheiten, Krankheitserreger und Stress vermitteln.
Vorteile für den Pilz
Natürlich profitieren auch die Bodenpilze von der Mykorrhiza-Gemeinschaft. Als Gegenleistung für das Bereitstellen von Nährstoffen erhalten arbuskuläre Mykorrhizapilze schätzungsweise zwischen 10% und 20% der von den Pflanzen in der Photosynthese hergestellten Kohlenstoff- bzw. Zuckerverbindungen (Glucose). Bei den Ektomykorrhizapilzen steigt dieser Wert auf ungefähr 20% und kann in manchen Fällen bis zu 50% betragen. Fast alle terrestrischen Ökosysteme und auch Ackerland für Kulturpflanzen werden von Mykorrhiza-Gemeinschaften dominiert. Dies zeigt, dass Mykorrhizapilzen wahrscheinlich eine Schlüsselrolle im globalen Kohlenstoffkreislauf zukommt.
Mykorrhiza-Gemeinschaften als Kohlenstoffspeicher
Welche Rolle den Mykorrhiza-Gemeinschaften im globalen Kohlenstoffkreislauf zukommt, ist erst wenig erforscht. Alle Böden der Welt enthalten etwa 1.500 Milliarden Tonnen (das sind 1.500 Gigatonnen) Kohlenstoff, das sind 75% allen auf der Erde vorkommenden Kohlenstoffs und damit mehr als in der Atmosphäre und in der Pflanzenbiomasse zusammen. Das heißt, drei Viertel des Kohlenstoffs der Erde sind unterirdisch gespeichert.
Landpflanzen nehmen Kohlenstoffdioxid (kurz Kohlendioxid) aus der Luft auf. Wissenschaftler schätzen, dass 13 Milliarden Tonnen (13 Gigatonnen) Kohlendioxid, die jahrlich von Landpflanzen weltweit aufgenommen werden, vorübergehend in die Mykorrhiza-Gemeinschaften im Boden übergehen – ein wahrlich gigantischer Kohlenstoffspeicher. Das sind immerhin etwa 36% der jährlich vom Menschen verursachten Kohlendioxid-Emissionen aus fossilen Brennstoffen.
www-Tipps
- „Symbiose ist wie eine Geschäftsbeziehung“, Interview mit Dr. Stephanie Werner, 2018
- Mycorrhizal Associations: The Web Resource
Buchtipp
- R. Moore: 21st Century Guidebook to Fungi. Cambridge, 2nd Edition, 2020.
Forschung
- H.J. Hawkins et al.: Mycorrhizal mycelium as a global carbon pool. Current Biology, 2023.
- C. Averill et al.: Global imprint of mycorrhizal fungi on whole-plant nutrient economics. PNAS, 2019.
- H. Bücking et al.: Common mycorrhizal networks and their effect on the bargaining power of the fungal partner in the arbuscular mycorrhizal symbiosis. Communicative & Integrative Biology, 2016.
- A. Corrales et al.: An ectomycorrhizal nitrogen economy facilitates monodominance in a neotropical forest. Ecology Letters, 2016.
- M.G.A. van der Heijden et al: Mycorrhizal ecology and evolution: the past, the present, and the future. New Phytologist, 2015.
- G. Soka & M. Ritchie: Arbuscular mycorrhizal symbiosis and ecosystem processes: Prospects for future research in tropical soils. Open Journal of Ecology, 2014.
- R.P. Phillips et al.: The mycorrhizal‐associated nutrient economy: a new framework for predicting carbon–nutrient couplings in temperate forests. New Phytologist, 2013.
- N.M. Stark & C.F. Jordan: Nutrient retention by the root mat of an Amazonian rain forest. Ecology, 1978.