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Pflanzenwelt tropischer Regenwälder
Würgefeigen – der schleichende Tod im Regenwald
Würgefeigen sind der parasitierende Albtraum des Regenwalds. Sie bescheren ihren Wirtsbäumen einen schleichenden Tod. Das Leben der Würgefeige beginnt als unscheinbarer Same in den Baumkronen.
Würgefeigen gehören zur Gattung Ficus aus der Pflanzenfamilie der Maulbeergewächse (Moraceae). In Peru werden Würgefeigen lokal als Matapalos bezeichnet – als „Killerbäume“. Im Catalogue of Life sind derzeit 845 Ficus-Arten gelistet, die meisten davon kommen in tropischen Regenwäldern auf der ganzen Welt vor.
Das Leben der Würgefeige beginnt im Kronendach
Im Gegensatz zu einer Liane beginnt das Leben einer Würgefeige wenig spektakulär im Kronendach. Dort setzt ein fruchtfressendes Tier, zum Beispiel ein Vogel oder ein Affe, Kot und damit den Samen einer Würgefeige ab. Unter günstigen Bedingungen keimt der Same und die junge Feige beginnt zu wachsen. Anfangs lebt sie als Aufsitzerpflanze (Epiphyt) im Kronendach. Doch das wird bald anders werden, denn sie beginnt Luftwurzeln in Richtung Waldboden zu schicken – manche frei in der Luft, manche am Stamm des Wirtsbaums entlang.
Hemiepiphyten
Epiphyten sind Aufsitzerpflanzen, die auf anderen Pflanzen wachsen. Hemiepiphyten unterscheiden sich von den Epiphyten dadurch, dass sie in ihrer Entwicklung Wurzeln bilden, die den Boden erreichen. Würgefeigen können deshalb den Hemiepiphyten zugeordnet werden.
Der Anfang vom Ende für den Wirtsbaum
Die Umarmung der Würgefeige hat natürlich Folgen für den Wirtsbaum. Dessen Stamm wird durch das enge Geflecht der Feige regelrecht stranguliert, seine Leitgefäße werden abgeschnürt. Und als ob dies nicht genug wäre, werden seine Blätter von der zwischenzeitlich mächtig gewachsenen Krone der Feige beschattet und verdrängt.
So stirbt der Wirtsbaum einen langsamen Tod, der Jahre oder auch Jahrzehnte dauern kann. Unterdessen ist das Geflecht der Feige so stabil geworden, dass sie auch ohne Stütze durch den Wirtsbaum bestehen kann. Während der Wirtsbaum stirbt und verrottet, bleibt letztlich nur die hohle Würgefeige übrig.
Vorteil für die Feige
Von Anfang an hat die Feige einen Platz an der Sonne, sie muss nicht auf dem dunklen Waldboden warten bis sich eine Lücke auftut, um dann mit unzähligen anderen schnell wachsenden Pflanzen um Licht zu kämpfen.
Außerdem spart sich die Feige die Ausbildung aufwendiger Stämme und ausladender Äste, die das produzierende Blattwerk bis zu 60 Meter hoch über dem Boden tragen. Stattdessen baut sie ihr Wurzelwerk aus und investiert in das Blattwerk.
Würgefeigen deuten auf alte Regenwälder hin
Das Vorkommen von Würgefeigen deutet auf ein hohes Alter eines tropischen Regenwalds hin, schließlich dauert es recht lange, bis die Wurzeln aus dem Kronendach den Boden erreichen, miteinander verwachsen und schließlich ihren Wirtsbaum töten. Ein tropischer Regenwald mit freistehenden Würgefeigen ist deswegen mindestens ein paar Jahrhunderte alt, wahrscheinlich noch viel älter.
Würgefeigen können ihren Wirtsbäumen auch helfen
Obwohl Würgefeigen ihren Wirtsbaum zumeist ermorden, können sie doch nützlich für ihre Opfer sein. Bei heftigen Stürmen können große Würgefeigen ihre Wirtsbäume davor bewahren, entwurzelt zu werden. Mit ihren Luftwurzeln können sich sowohl an den umgebenden Bäumen als auch am Boden verankern. Dadurch kann der der Wirtsbaum stabilisiert und seine Bewegungen während des Sturms verringert werden. Außerdem können die Blätter der Würgefeigen Lücken im Kronendach schließen, wodurch die Angriffsfläche für den Wind verkleinert wird. Schließlich können die gerüstartigen Wurzelnetzwerke der Würgefeigen dazu beitragen, die Stämme ihrer Wirtsbäume zu unterstützen und zu stärken.
www-Tipps
- Catalogue of Life
- The Plant List
- Informationen über tropische Bäume bei baumkunde.de
Forschung
- L.S. Richard & S.L. Halkin: Strangler figs may support their host trees during severe storms. Symbiosis, 2017.
- G. Zotz: ‘Hemiepiphyte’: a confusing term and its history. Annals of Botany, 2013.
Presse
- Nebel-Trinker, Süddeutsche Online, 19.12.2012.